Die Bibel als ein Pflanzenführer durch die Flora des alten Israels? Sicherlich lesen nur die wenigsten Christinnen und Christen die Heilige Schrift auf diese Weise. Dabei gibt es dort allerhand zu entdecken. Dr. Cornelia Aßmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Exegese und Theologie des Alten Testamentes an der Universität Erfurt, erforscht den “Garten als Ort und Raum im Alten Testament”. Für THEOLOGIE AKTUELL gibt sie Einblick in ihre Arbeit.
Die deutschlandweit wachsende Zahl an Bibelgärten – also Themengärten, die in der Bibel vorkommende Pflanzen zeigen – ist ein Indiz für das, trotz immer weniger Christinnen und Christen, nach wie vor hohe bestehende Interesse an der Bibel und der in ihr genannten Pflanzen. Doch woher rührt die Neugier an der Flora Palästinas? Die Artenvielfalt im antiken Palästina schätzt der Alttestamentler Peter Riede auf ca. 2.250 Pflanzenarten, von denen die Bibel gerade einmal 110 kennt. Diese “kleine Auswahl” bietet eine Reihe an Anknüpfungspunkten für (bibel-)theologisch affine Christinnen und Christen und kulturgeschichtlich Interessierte.
Ziel des Alten und Neuen Testaments ist es nicht eine Kultur- oder gar Gartengeschichte des antiken Israels zu schreiben, sondern im Vordergrund steht das Bekenntnis zum Gott Israels. Bei der Formulierung des Bekenntnisses greifen die Verfasser auf Erfahrungen der Alltagswelt und die ihnen bekannte altorientalische Symbolsprache zurück. Die Vegetation ist hierbei fester Bestandteil. In einer Gesellschaft deren Lebensrhythmus primär von Ackerbau und Viehzucht bestimmt ist, ist es nicht verwunderlich das Tätigkeiten wie ernten oder säen Eingang in religiöse Bekenntnistexte finden.
In den Erzählungen der Bibel finden sich Hinweise auf Kulturtechniken wie für das Anlegen eines Weinbergs (Jes 5,1-7). Das sogenannten “Weinberglied” des Propheten Jesaja zeugt von der Fürsorge und der enttäuschten Liebe Gottes zu seinem Volk Israel. Informationen wie man einen Weinberg anlegt und welche Mühen damit verbunden sind, werden am Rand gegeben. Gerade jene “Randnotizen” sind es, die Einblick in das Leben des antiken altorientalischen Menschen gewähren.
Gleichfalls greift die abendländische Kunst und Literatur alt- und neutestamentliche Erzählungen auf, in denen häufig auch Pflanzen eine Rolle spielen. Eine der meist abgebildeten Szenen ist der Sündenfall Adam und Evas. War es wirklich ein Apfel, der den beiden zum Verhängnis wurde? Oder ist der Apfel nur Teil künstlerischer Improvisation? Ebenso rezipieren gegenwärtig christliche Gemeinschaften weltweit biblisch-florale Sprachbilder. In Indien beispielsweise wird das Gleichnis vom Senfkorn künstlerisch mit dem Banyanbaum verglichen. Nicht nur die weitreichende Krone des bis zu 30 Meter hohen Baumes, sondern ebenso seine Bedeutung im indischen Kontext als “heiliger Baum”, prädestinieren ihn für einen solchen kulturellen Transfer.
Deutlich wird, dass die antike Flora Palästinas ein wesentlicher Schlüssel zum Verstehen biblischer Erzählungen und der abendländischen Kultur ist. Die Symbiose von biblischen Erzählungen, antiker Lebenswelt sowie jüdischer, christlicher und abendländischer Rezeption anhand der Flora Palästinas erprobt das Projekt “Pflanzen der Bibel” im Schloss und Park Pillnitz in Dresden.
Dr. Cornelia Aßmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Exegese und Theologie des Alten Testamentes an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Neben der Flora Palästinas forscht sie unter anderem zu den folgenden Themengebieten: Alttestamentliche Exegese und Theologie, neuere literaturwissenschaftliche Methoden der biblischen Exegese sowie zur Konstruktion von Fremdheit in alttestamentlichen Texten.