Seit dem 17. Juni hat das Theologische Forschungskolleg der Universität Erfurt einen neuen Fellow: Prof. Dr. Roman Globokar aus Ljubljana forscht als Gastwissenschaftler zum Thema Transhumanismus. Er betrachtet Risiken, die mit der „Verbesserung“ des Menschen durch biotechnologischen Fortschritt einhergehen. In Erfurt sucht der Moraltheologe und Sozialethiker nun den fachlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen des Max-Weber-Kollegs sowie der Katholisch-Theologischen Fakultät.
von Desiree Haak
„Erfurt ist eine wunderschöne Stadt. Es gefällt mir sehr hier“, kommentiert der Slowene nicht nur das mittelalterliche Ambiente der thüringischen Landeshauptstadt, sondern auch den kollegialen Umgang an der Hochschule. Eben sie biete ihm eine fruchtbare Grundlage für seinen Forschungsaufenthalt. Daheim an der theologischen Fakultät der Universität Ljubljana arbeitet er an einem Forschungsprojekt zum Transhumanismus. „Es geht dabei um eine ethische und religiöse Bewertung der zentralen Idee des Transhumanismus, nämlich der Idee, dass man die Begrenzungen des menschlichen Lebens durch Technologie überwinden könne“, erklärt Prof. Globokar seinen Forschungsschwerpunkt.
– Roman Globokar
Dass man einen neuen, einen besseren Menschen schaffen möchte – also einen Menschen ohne Begrenzungen, ohne Leid und vielleicht sogar ohne Sterben – das seien extreme aber gleichzeitig auch althergebrachte Ideen, erläutert der Professor. Der Wunsch nach Perfektion sei schon immer im Menschen verankert gewesen, denn „man möchte immer besser sein, man möchte perfekt sein.“ Doch anders als früher könne dieses Perfektionsstreben heute nicht mehr nur durch äußere Faktoren, etwa durch eine auf das Gemeinwohl orientierte Erziehung oder gesundheitsbewusste Ernährung, umgesetzt werden. Stattdessen bieten neue Biotechnologien erstmals auch die Möglichkeit zu Eingriffen in menschliches Erbgut und damit zur „Optimierung“ an der biologischen Basis selbst.
Wie weit darf hier das Streben nach Perfektion nun gehen? Und wer ist dieser neue, dieser ideale Mensch eigentlich? Welche Eigenschaften sind es, die eine neue „conditio humana“, eine neue Menschheit bestimmen werden? „Diese Fragen sind der Ausgangspunkt meiner Forschung“, erklärt der Moraltheologe. In Erfurt beschäftigt er sich insbesondere mit zwei deutschen Philosophen: Hans Jonas und Jürgen Habermas. Interessant erscheint ihm in ihren Arbeiten insbesondere die Frage nach einer angemessenen Vorsicht. In Anlehnung an sie appelliert Globokar: „Wir sollten vorsichtig und bedacht umgehen mit diesen neuen Genmanipulationen und vermeintlichen Verbesserungen, weil wir nicht wissen, was diese Entwicklung eigentlich für die Zukunft der Menschheit bedeuten und welche Folgen es haben kann, wenn wir menschliches Erbgut manipulieren.“ Das Streben nach dem perfekten Menschen müsse daher stets auch von einem klugen Blick auf absehbare und aber auch unabsehbare Folgen begleitet werden.
Doch wie sieht er denn nun für Prof. Globokar aus – der perfekte Mensch? „Der perfekte Mensch ist nicht der Mensch, der die volle Macht hat, sondern der Mensch, der auch verletzlich ist“, befindet der Sozialethiker. Dem Menschen müsse die Möglichkeit vorbehalten sein, Fehler zu machen, mangelhaft und eben alles andere als perfekt zu sein. Denn genau diese Unperfektheit gehöre originär zum Menschsein dazu. Auf dieses Argument stützt sich Globokars Arbeit grundlegend. Er selbst spricht von einer „Ethik der Verletzlichkeit“, die er mit seiner Forschung aufzeigen wolle. Damit befindet Globokar sich abermals im Einklang mit Habermas und Jonas, die vor einem Verlust der menschlichen Autonomie und damit der menschlichen Freiheit im Zuge eines zu schnell und unkontrolliert voranschreitenden technologischen Fortschritts warnen. „Die natürliche Ordnung hat sich über Millionen Jahre entwickelt“, konstatiert der Theologe. „Man darf sie nun nicht übereilt verändern, da man nicht abschätzen kann, welche Konsequenzen das haben wird.“
In Erfurt sucht der Gastwissenschaftler zu diesen und ähnlichen Fragen den fachlichen Austausch mit Prof. Dr. Josef Römelt, Moraltheologe an der Katholisch-Theologischen Fakultät, und Prof. Dr. Dietmar Mieth, Leiter des Meister-Eckart-Forschungsstelle am Max-Weber-Kolleg, aber auch mit Studierenden und Promovierenden sowie weiteren Kolleginnen und Kollegen aus theologischen Nachbardisziplinen.
Prof. Globokar ist noch bis zum 13. Juli 2019 als Fellow am Theologischen Forschungskolleg der Universität Erfurt zu Gast. Am 11. Juli 2019 wird er bei einer öffentlichen Gastvorlesung zum Thema „Die Normativität der menschlichen Natur in der Zeit der biotechnologischen Perfektion des Menschen“ vertiefende Einblicke in seine Forschung geben. Die Vorlesung beginnt um 19:15 Uhr im Hörsaal Coelicum, Domstraße 10. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!