Im Zugehen auf Weihnachten lohnt sich jetzt schon ein Blick in die Kindheitserzählungen Jesu im Neuen Testament. Zumindest ist es aus meiner Perspektive als Neutestamentlerin nie zu früh, die biblischen Kindheitserzählungen Jesu zu lesen. Auffällig dabei ist, dass nur im Matthäus- und im Lukasevangelium von der Ankündigung der Geburt Jesu und Erzählungen um die Geburt Jesu und die erste Zeit danach zu lesen ist. Die Evangelisten Markus und Johannes berichten nicht davon. Für meine Kolleginnen Dr. Cornelia Aßmann, Inga-Maria Schütte und mich ist vor allem der Auftakt zur Kindheitserzählung Jesu, wie sie im Matthäusevangelium überliefert ist, spannend.
Als wir vor fast zwei Jahren damit beauftragt wurden, uns anlässlich einer Schenkung mit Faksimiles von Bibelhandschriften und Gebetbüchern ein Konzept zu deren Präsentation für ein größeres Publikum zu überlegen, hat uns der Stammbaum Jesu (Mt 1,1–17) und seine theologische Bedeutung inspiriert.
Im Stammbaum Jesu nach Matthäus geht es nicht um historische Fakten, sondern vielmehr darum, Jesus als heilbringenden König Israels, als den erwarteten Messias vorzustellen. Nach guter antiker Tradition und Konvention wird die Ahnenlinie über die männlichen Vorfahren nachgezeichnet. Frauen finden als Ehefrauen und Mütter nur selten Erwähnung. Umso bedeutender ist es in der matthäischen Genealogie, dass das Schema durch die vier alttestamentliche Frauen Tamar, Rahab, Rut und Batseba aufgebrochen wird.
Besonders an diesen Frauen ist – neben ihrer Nennung –, dass sie keine Israelitinnen, sondern Fremde sind. Als Ehebrecherin, Witwe, Prostituierte und Landesverräterin gelten sie alle als Sünderinnen und sind damit gesellschaftlich marginalisiert. Auf die Geschichten dieser Frauen werden wir in einem weiteren Blog-Beitrag im Dezember näher eingehen.
Nach über eineinhalb Jahren intensiver Planung und Vorbereitung wird nun am 30.11.2023 in der Freiberger Stadtkirche die Ausstellung mit dem Titel „Marginalisiert und dennoch stark. Die Frauen im Stammbaum Jesu (Mt 1,1–17)“ eröffnet. Dabei stehen gerade diese Frauen mit ihren Geschichten und Schicksalen im Fokus. Neben inhaltlichen Brückenschlägen zu Darstellungen der Frauen in in der Kunst und Literatur westlicher Kulturräume, hält die Ausstellung für ein junges Publikum so manche Überraschung bereit. Kinder und interessierte Erwachsene können Tamar, Rahab, Rut, Batseba, Maria und Josef in lebensgroßen Figuren begegnen, die ihre Geschichte erzählen und kleine Aufgaben zum Mitmachen und Kreativ-Werden bereithalten. Gestaltet wurden diese Figuren von Karla Elisabeth Greiner-Bär.
Neben inhaltlichen und gestalterischen Planungen steckt natürlich ganz viel Logistik drin, um von einer vagen Idee zur tatsächlichen Ausstellung zu kommen: Vitrinen mussten transportiert, ehrenamtlich Mitarbeitende geschult und Referent:innen angefragt werden. Und ohne Geld funktioniert solch ein Projekt nicht, weshalb wir mit verschiedenen kirchlichen (u.a. Bistum Dresden-Meißen, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens und Bonifatiuswerk) und städtischen Einrichtungen (u.a. Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg) zusammenarbeiten und von ihnen unterstützt werden.
Die vier alttestamentlichen Frauen stehen mit ihren Geschichten und Schicksalen dafür, dass das Heil, das mit Jesus Christus in die Welt kommt, kein beschränktes und eindimensionales Heil ist. Er sagt den Menschen universales Heil zu – egal, welche Geschichte sie haben. Mit Jesu Zusage Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20) am Ende des Matthäusevangeliums schließt sich der Rahmen, der in der Kindheitserzählung und in seiner Namengebung mit Immanuel (Gott mit uns) eröffnet wurde. Er ist und bleibt als Heilsbringer da – für alle! Eine schöne Perspektive zum Start in den Advent…
Wir freuen uns, wenn wir Sie in der Ausstellung vom 30.11.2023 bis 06.01.2024 in Freiberg/Sa. oder beim Katholikentag 2024 in Erfurt begrüßen dürfen!