In seinem Auslandsjahr in Taiwan ist Jonas seinen ersten Marathon gelaufen. Außerdem hat er ein Musikinstrument zu spielen gelernt und war vier Wochen in einem buddhistischen Kloster. Ein gutes Beispiel dafür, dass ein Studium im Ausland vielfältige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet – auch jenseits des Hörsaals. Wie Jonas sein Studium an der National Chengchi University ansonsten erlebt hat, darüber erzählt er hier…
Jonas, wie kam es dazu, dass du dich für ein Auslandsstudium in Taiwan entschieden hast?
Nach einem fast zweijährigen Aufenthalt in China zu Schulzeiten war für mich klar, dass ich irgendwann auch das ‚andere‘ China näher kennenlernen möchte. Ich hatte Taiwan bereits während meines letzten Auslandsaufenthaltes besucht und war fasziniert. Die Kultur schien so anders als ich es vom Festland gewöhnt war und natürlich kann man eine Sprache wie Chinesisch nie wirklich zu Ende lernen… also: Taiwan it was!
Was hast du gehofft, während deines Auslandsstudiums lernen zu können?
Zum einen ist da, wie gesagt, die Sprache. Obwohl Taiwan ein Land mit enormer sprachlicher Vielfalt ist, sprechen fast alle Menschen Hochchinesisch. Die Taiwanesische Nationalsprache (國語) ist den Dialekten im Südosten Chinas sehr ähnlich und auch mit dem auf dem Pekinger Dialekt basierenden Mandarin (普通話) treten sehr selten Kommunikationsprobleme auf. Wenn du also bisher Chinesisch aus China gelernt hast, kannst du dieses problemlos in Taiwan anwenden. Vielleicht fängt man sich den ein oder anderen komischen Blick ein, denn ein paar Vokabel-Unterschiede gibt es natürlich schon und auch die Aussprache variiert ein bisschen. Aber der Fakt, dass du als Nicht-Taiwanes*in überhaupt auf Chinesisch kommunizierst, wird diese dialektalen Unebenheiten komplett wettmachen.
Chinesisch an sich ist enorm nützlich und wird sicherlich in den kommenden Jahren in seiner Bedeutung noch zunehmen. Ich würde daher jede*n dazu ermutigen wollen, sich ein bisschen mit dieser Sprache auseinanderzusetzen. Und wo hat man dazu besser Gelegenheit als in Taiwan? Auch wenn man sich gegen einen Chinesisch-Kurs entscheidet, kann man doch die Grundstruktur der Sprache erfassen und so die darauf basierende Denkweise besser verstehen lernen. Ein entscheidender Vorteil zu vielen Orten auf dem Festland ist dabei, dass besonders junge Taiwanes*innen Englisch beherrschen und man sich auch mit gen Null tendierenden Sprachkenntnissen angstfrei und nahezu problemlos auf der Insel bewegen kann.
… und wenn man nun nicht allein wegen des Sprachstudiums in Taiwan studieren möchte?
Geht natürlich auch. An der Partneruniversität der Universität Erfurt, der National Chengchi University (國立政治大學, kurz: NCCU), hat man die Auswahl aus drei Programmen. Man kann (Option 1) einen Intensivsprachkurs besuchen und hat so an vier Tagen die Woche jeweils drei Stunden Chinesisch. Drumherum kann man dann noch andere Kurse belegen. Man kann aber auch (Option 2) einen Kurs mit einer Spracheinheit pro Woche wählen und hat so Zeit, sich hauptsächlich auf das Fachstudium zu fokussieren. Es ist aber auch möglich (Option 3) gar keinen Sprachkurs zu machen und lediglich die Fachangebote zu nutzen.
Wie weit kommt man mit englischen Sprachkenntnissen an der National Chengchi University?
Die NCCU ist eine der angesehensten Universitäten Taiwans und das Angebot auf Englisch entsprechend groß. Neben den von der Uni selbst angebotenen Kursen, bietet auch das Internationale Büro spezielle Seminare für Austauschstudis an, die sich mit speziellen Aspekten Taiwans befassen (z.B. Geschichte, Ökologie, Beziehung zu China) und dann natürlich auch auf Englisch stattfinden. Auch für Bachelor-Studierende besteht die Möglichkeit, sich für Masterkurse einzuschreiben. Das Prozedere dafür ist – wie für alle anderen Formalitäten auch – genau geregelt und man hat Zugriff auf unzählige Informationsmaterialien, die einen durch den Prozess leiten. Das Internationale Büro steht bei jedweder Schwierigkeit (z.B. Visum, Kursauswahl) immer mit Rat und Tat zur Seite und ist stets gut erreichbar.
Und was gibt es abseits des Unterrichtes lohnenswertes an der Chengchi Universität zu entdecken?
Der Campus der Uni befindet sich am Ende der brauen Linie der MRT und somit etwas außerhalb der Stadt im Distrikt Wenshan. Das hat den Vorteil, dass man tagtäglich viel Grün um sich hat und auch ein paar Berge und ein Fluss sind nicht weit. Man kann sich also mit einem Bubble Tea (der hier quasi den Status eines Nationalgetränks hat) an den Fluss setzen und das gute Wetter genießen. Oder aber man nutzt die unzähligen Angebote und Facilities der Uni. So stehen einem beispielsweise eine große Auswahl an Clubs und Societies zur Verfügung. Neben den gängigen Optionen wie Fußball, Volleyball und Yoga, gibt es auch eher ausgefallene Clubs, wie den Mixology Club, der sich mit Cocktails und Bartendertum beschäftigt, oder den Coffee oder Astrology Club.
Aber auch unabhängig von diesen Societies kann man die universitätseigenen Basketball- und Tennisplätze, die Sporthalle sowie das Fitnessstudio und die Schwimmhalle nutzen. Auch zum Lesen wird man wohl etwas finden, denn verteilt auf den gesamten Campus gibt es einige Bibliotheken, in denen es sich auch sehr angenehm arbeiten lässt. Wenn man dann vom vielen Studieren Hunger hat, kann man entweder in die Cafeteria gehen und für umgerechnet 2,30 € einen großen Teller vom Buffet haben (vegetarisch/vegane Option erhältlich) oder man versorgt sich an einem der vielen kleinen Restaurants und Straßenständen gleich außerhalb der Uni. Durch die Lage am Stadtrand ist man natürlich etwas ab vom Schuss, aber die Anbindung mit Bus und Bahn ist sehr gut und innerhalb von 30 bis 40 Minuten kann man das Stadtzentrum, verschiedene Nachtmärkte und die Hauptsehenswürdigkeiten erreichen.
Apropos Lebensunterhalt: Wie kostspielig ist ein Auslandsstudium in Taiwan?
Lebensmittelpreise sind in Taiwan etwa auf dem gleichen Niveau wie in Deutschland oder etwas darüber. Dafür ist es wesentlich günstiger, draußen zu essen. Transportkosten sind nur ein Bruchteil von dem, was man in Deutschland bezahlen würde. Während man in der Kleinstadt Erfurt bereits 2,20 € für eine einfache Straßenbahnfahrt bezahlen muss, belaufen sich die Kosten in der Millionenmetropole Taipei lediglich auf umgerechnet 80 Cent und wenn man den Bus nimmt, kann man sich noch kostengünstiger bewegen. Mit ein bisschen Suchen findet man ein WG-Zimmer dessen Kosten ungefähr auf Erfurter Niveau liegen, wobei man auch die Option hat, im Wohnheim unterzukommen, was wesentlich billiger ist. Viele Sehenswürdigkeiten sind für Inhaber*innen eines taiwanesischen Studierendenausweises entweder zum halben Preis oder gratis zugänglich, wie zum Beispiel das Nationale Palastmuseum, das normalerweise zwischen 5 und 11 € Eintritt kostet.
Und Taipei insgesamt – was geht da so?
Kurz gesagt eigentlich alles. Neben den weitbekannten Attraktionen, wie dem Chiang Kai Shek Memorial oder dem Partydistrikt Ximending, die sich auch prima googlen lassen, gibt es auch eine Menge kleiner Tempel und Wanderwege in den Bergen um die Stadt, die alle einen wundervollen Panoramablick auf Taipei ermöglichen. Wenn man eine Tagestour machen will, hat man eine ebenso große Auswahl - vom Küstenort Tamsui in Taipeis Norden, den heißen Quellen gleich um die Ecke, bis hin zum Mini-Fischerdorf an der malerischen Ostküste, das aber dennoch mit der Regionalbahn in 1,5 Stunden erreichbar ist. Auch sportlich kann man sich in Taipei ordentlich betätigen, denn jeder Distrikt hat sein eigenes Sportzentrum inklusive Schwimmhalle und auch für ausgefallenere Disziplinen wie z.B. Bouldern wird man fündig. Die Stadt bietet außerdem über das Jahr verteilt einige Straßenläufe an, zu denen man sich aufgrund ihrer Beliebtheit allerdings frühzeitig anmelden sollte. Egal ob du nun Sportfreak, Natur-Fan oder Museumsliebhaber*in bist, du wirst dich in Taipei nicht langweilen!
Welchen Tipp hast du für Studierende, die sich für ein Auslandsstudium an der National Chengchi University interessieren?
Solltet ihr euch für den Austausch an der Chengchi University entscheiden, liegt es in eurer Hand, euer Semester bzw. Auslandsjahr zu gestalten! Ihr werdet nicht nur in einer tollen Umgebung eine gute Uni besuchen können, sondern euch auch in jedwede Richtung weiterentwickeln können. Ich bin zum Beispiel in meinem Jahr in Taiwan meinen ersten Marathon gelaufen, habe angefangen, ein Musikinstrument zu spielen, und war über die Semesterferien vier Wochen in einem buddhistischen Kloster. Abgesehen also von der Chance, Chinesisch zu lernen, bietet Taiwan meiner Ansicht nach mit seinem angenehmen Klima, den super netten Menschen, seiner Diversität und Sicherheit, seiner spannenden Geschichte und seinen unerschöpflichen Möglichkeiten sowie seiner einmaligen Lage für die Erkundung anderer asiatischer Staaten, alles, was man sich für ein gelungenes Austauscherlebnis nur wünschen kann.