Sie war dann mal weg, die Katharina. Und nun ist sie wieder da und berichtet von ihrem Auslandsaufenthalt am Institut d’Études politiques de Grenoble in Frankreich. So viel sei verraten: Unsere Studentin der Internationalen Beziehungen und der Sozialwissenschaften war ziemlich begeistert. Aber lest selbst...
"Ein Auslandssemester in Frankreich – das ist so eine wunderbare Gelegenheit, eine neue Sprache zu vertiefen, ein ganz anderes Unisystem kennenzulernen, sich persönlich weiterzuentwickeln und gleichzeitig jede Menge wunderbare Momente mit tollen Menschen aus vielen verschieden Ländern zu erleben und ich würde diese Erfahrung wirklich jedem und jeder empfehlen! Wenn ich mein Auslandssemester mit wenigen Worten zusammenfassen sollte, würde ich das mit einem Zitat aus einem Songtext der französischen Sängerin Zaz: „Rappelle-moi qui je suis, pourquoi je suis en vie“ (Erinnere mich daran, wer ich bin, wieso ich am Leben bin), da die Zeit dort mich persönlich nicht nur davon überzeugt hat (und auch die Angst genommen hat), meinen Master im Ausland zu machen, sondern ich mich dadurch auch zum ersten Mal seit dem Beginn der Corona-Pandemie wieder so richtig lebendig gefühlt habe.
Der Erasmus-Spirit ist wirklich einzigartig und ich bin einfach dankbar, diese tolle Zeit erlebt haben zu dürfen."
Was ich an Grenoble am meisten geliebt habe, ist jeden Tag mit dem Blick auf die Berge aufzuwachen – dank verschiedener Wetterlagen, Wolken und Schnee auch immer eine einzigartige Kulisse… Als ich begonnen habe, mir zu überlegen, in welche französische Stadt ich gehen möchte, hatte ich Grenoble zuerst gar nicht auf dem Schirm bzw. wusste nicht einmal, wo das in Frankreich überhaupt liegt. Das hat sich allerdings geändert, als ich ein bisschen dazu recherchiert und realisiert habe, dass Grenoble die „Capitale des Alpes“ in Frankreich ist und ich habe mich gleich in die Stadt verliebt. Man ist innerhalb 30 Minuten mit dem Bus aus der Innenstadt in den Bergen und hat sogar die Auswahl zwischen verschieden Bergmassiven: Chartreuse, Vercors und Belledonne. Mit dem Zug (oder billiger dem Bus) erreicht man in wenigen Stunden die Städte Lyon, Genf oder Turin und kann im Sommer sogar noch ein paar Tage am Meer in Montpellier oder Marseille verbringen. Grenoble ist keine große Stadt, hatte für mich aber die perfekte Größe – klein genug, dass man überall mit dem Fahrrad hinkommt (es gibt sogar richtig gute Fahrradwege), aber doch ein bisschen größer als Erfurt. Es ist eine echte Studi-Stadt, der Campus, der ein bisschen außerhalb liegt, ist riesig und man sieht überall junge Menschen. Was das Bild der Stadt neben den Bergen besonders macht, ist vor allem die Street Art, die sehr präsent ist – jedes Jahr im Sommer findet sogar ein Street Art Festival statt. Alles in allem bin ich rundum glücklich, mich für Grenoble entschieden zu haben!
Und noch ein Tipp für die Anreise:
Wenn du vorhast, mit dem Zug nach Grenoble zu fahren und schockiert bist von den teuren Preisen, schau am besten nach einer Verbindung von Deutschland nach Genf und nimm von dort den Flixbus nach Grenoble, das ist meiner Erfahrung nach mehr als um die Hälfte billiger.
Wo wohnt man am besten?
Wie auch in Deutschland gibt es die Möglichkeit, entweder in einem Studierendenwohnheim oder in einer WG zu wohnen. Man sollte sich vorab darüber klar sein, dass die Wohnheime nicht mit denen in Erfurt zu vergleichen sind und generell eher altmodisch und hässlich sind. Wenn du richtig gemütlich und schön wohnen möchtest, musst du dir eine WG suchen. Ich habe im Wohnheim Berlioz gewohnt und für mich war es für ein Semester eine gute Lösung, da es einfach die deutlich preisgünstigere und weniger aufwendigere Variante ist und ich sowieso nur sehr wenig Zeit in meinem Zimmer verbracht habe. Die meisten Wohnheime liegen direkt auf dem Campus und damit sehr nah an der Universität und es geht sehr lebendig zu, was für mich aber durchaus positiv war. Bei der Bewerbung für ein Wohnheim kannst du Präferenzen angeben, deshalb lohnt es sich, einen Blick auf die verschiedenen Wohnheime zu werfen. Vielleicht hilft dir diese kleine Liste aller Wohnheime, in denen Freund*innen von mir gewohnt haben:
Studentische Wohnheime in Grenoble im Vergleich:
Berlioz: Nach einem ersten Schock-Moment, in dem ich realisiert habe, dass der komische Raum, der eher wie ein Chemie-Labor aussieht, die Küche sein sollte, war es hier durchaus wohnlich. Die Küche wird von allen Beweohnern auf dem Flur geteilt. Dadurch sieht es dort teilweise eher eklig aus, ist auch relativ unpersönlich und die Zimmer sind ziemlich klein, aber dafür ist das Bad okay, man hat einen großen Kühlschrank für sich allein und das Zimmer kann man sich auch schön machen.
Ouest: Hier sieht es ganz ähnlich aus, wie in Berlioz, das Bad ist etwas kleiner und das Zimmer dafür ein bisschen größer.
Condillac: Wenn ich es vorher gewusst hätte, wäre das mein Favorit gewesen. Das Wohnheim ist ein bisschen moderner, man teilt sich den Flur nur zu 7. Dadurch ist es viel WG-artiger und gemütlicher. Einziger Nachteil: das wirklich winzige Bad.
Le Rabot: Nachdem ich so viel Schlechtes über Le Rabot gehört habe, fand ich es gar nicht soo schlimm und glaube, dass das durchaus eine Option sein könnte – gerade wenn man mit wenig Budget auskommen muss (die Zimmer dort kosten unter 200 Euro). Das Gebäude ist natürlich sehr heruntergekommen, aber die Aussicht ist top. Vom Stadtzentrum geht es zwar 15 Minuten den Berg rauf, allerdings ist der Weg kürzer als vom Stadtzentrum zum Campus.
Und noch ein Tipp für die Wohnheimbewerbung: Gib bei der Bewerbung lieber einen etwas längeren Zeitraum als das Semester an. Kündigen geht bis zu einem Monat vor dem gewünschten Auszugsdatum, während verlängern nur schwer und aus akademischen Gründen möglich ist. So kannst du im Laufe des Semesters entscheiden, ob du Lust hast, noch ein bisschen in den Semesterferien zu bleiben. Ich selbst habe bis Ende Februar angegeben, obwohl das Semester nur bis Mitte Januar geht, was niemanden gestört hat, während eine Freundin von mir zwei Wochen bis Ende Januar verlängern wollte, was abgelehnt wurde.
Was du in den ersten Tagen deines Aufenthalts in Grenoble unbedingt tun musst? Ganz klar: ein MétroVélo Fahrrad ausleihen (geht z.B. bei dem MétroVélo Shop auf dem Campus) und eine TAG Karte für die Tram kaufen (geht z.B. bei dem Laden „Tabac du Campus“). Es lohnt sich, versprochen!
Nun aber zum Studium selbst: Bei der Belegung der Kurse an der Sciences Po Grenoble hat man nicht so viele Auswahlmöglichkeiten, da drei Kurse verpflichtend sind: ein Französisch-Sprachkurs, das FEIS-Seminar über französische Politik, Institutionen und Gesellschaft und das CMINT für internationale Studierende, bei dem man sich zwischen drei Seminaren über Themen internationaler Politik entscheiden kann. Das ist einerseits ein Vorteil, da das Learning Agreement relativ einfach zu erstellen ist, aber andrerseits ein Nachteil, da man dadurch nur wenige Kurse mit französischen Studierenden gemeinsam hat. Ich habe neben den Pflichtkursen die CS – Vorlesung „Environnement, Natural Resources and armed conflict“, das Tutorat und den „plein-air“-Sportkurs gewählt. Das Tutorat kann ich sehr empfehlen, da man sich dort mit einer oder zwei weiteren Internationals und zwei französischen Studierenden zusammensetzt und je nach Sprachniveau und Interessen das Programm des Kurses komplett selber gestaltet. Wir haben zum Beispiel über viele verschiedene gesellschaftliche Themen in Frankreich geredet und hatten sogar eine Street Art Tour in Grenoble. Das hat mir bei meinem Französisch extrem geholfen und ist auch eine super Gelegenheit, erste Kontakte zu französischen Studierenden zu knüpfen! Auch die Vorlesung hat mir vor allem vom Thema sehr gut gefallen, allerdings hätte ich im Nachhinein eine auf Französisch gewählt, das habe ich mir am Anfang noch nicht zugetraut bzw. fand die Veranstaltungen auf Englisch auch einfach thematisch ansprechender.
Mein absolutes Highlight war aber der Sportkurs, der mir bereits von allen Seiten empfohlen wurde und der auch einer der Gründe war, wieso ich mich für Grenoble entschieden habe. Meine Erwartungen wurden sogar noch übertroffen und finde es einfach toll, dass so etwas von der Uni angeboten wird! Klettergarten, Canyoning, Mountainbiken, Höhlenforschen und Klettern (bei schlechtem Wetter in der Kletterhalle und bei gutem Wetter Klettersteig in den Bergen) – das alles konnten wir in dem Kurs ausprobieren. Dabei waren Guide, Ausrüstung und oft sogar die Anreise inbegriffen. Da ich noch online an einem Sprachkurs in Erfurt teilgenommen habe, hat die Menge meiner gewählten Veranstaltungen perfekt gepasst. Woran man sich zunächst gewöhnen muss, ist das etwas verschultere Uni-System in Frankreich, da heißt es vor allem Präsentationen und Mitarbeitsnoten – das hat aber auch seine positiven Seiten; dadurch bleibt man am Ball und die Klausurenphase am Ende ist viel entspannter. Nach den vielen Online-Semestern in Erfurt habe ich auch ganz besonders genossen, dass alle Veranstaltungen in Präsenz stattgefunden haben. Ob zum kleinen Kaffee zwischendurch, zum Essen mittags oder zum gemütlichen Zusammensitzen abends – auf dem Campus ist eigentlich immer etwas los.
Mein Tipp für die Belegung der Kurse: Lass dich nicht abschrecken von den CS-Kursen, die auf der Homepage alle mit dem Hinweis „sehr großer Arbeitsaufwand“ gekennzeichnet sind. Meiner Erfahrung nach (und viele meiner Freund*innen aus Deutschland haben das ähnlich gesehen) sind diese Kurse wesentlich weniger arbeitsaufwendig als eine klassische 6 LP Veranstaltung in Deutschland. (Das hängt aber sicherlich auch von der Dozentin oder dem Dozenten ab).
Schau auf die Social Media Seiten von Intègre (UGA) und ISI (Sciences Po). Dort veröffentlichen die beiden Gruppen Einführungsveranstaltungen und alle möglichen Events.
Sicher fragst du dich, was Grenoble so für die Freizeit zu bieten hat und wie mein Alltag dort aussah: Morgens an dem Multifunktionsschreibtisch in meinem kleinen Wohnheimzimmer mit einem herrlichen Blick auf die Berge frühstücken, dann mit dem Fahrrad zur Uni, mittags einen Linsensalat bei dem netten Studi-Imbiss Tab Verte, nachmittags je nach Workload entweder in die Sciences Po Bib oder auf einen kleinen Ausflug ins Stadtzentrum oder aus Grenoble raus, und abends dann gemeinsames Kochen, Essen und Lachen mit Freunden und Freundinnen in einer der Wohnheimküchen – so oder ähnlich sah ein ganz normaler Tag bei mir in Grenoble aus. Dienstagvormittag wurde der Hörsaal dann beim Sportkurs durch die Berge ausgetauscht und mittwochs habe ich beim Fußballtraining der Sciences Po Fußballmannschaft Foot furieuses mitgemacht, was immer sehr Spaß gemacht hat. Wenn nicht gerade eine große Präsentation für die nächste Woche anstand, ging es am Wochenende oft in die Berge oder in Orte in der näheren Umgebung.
Meine Tipps für erste Unternehmungen:
Mein Fazit:
Die einzige schlechte Erfahrung, die ich in Grenoble gemacht habe, war das Einkaufen. Die Preise für Lebensmittel sind in Grenoble generell höher als in Deutschland und je nach Supermarkt gibt es entweder überhaupt keine Auswahl oder die Preise sind extrem hoch. Gerade als vegan oder vegetarisch lebende Person erfordert das ein bisschen Anstrengung. Aber abgesehen davon war die Zeit in Grenoble eine rundum tolle Zeit, die ich immer in Erinnerung behalten werde! Sowohl akademisch als auch persönlich konnte ich so vieles dazu lernen und einfach wunderschöne Momente erleben. Gerade nach der langen Corona-Zeit habe ich es so sehr genossen, wieder neue Leute, eine neue Stadt und ein neues Land kennenzulernen. Highlights gab es viele – aber die allerschönsten Momente waren für mich die gemeinsamen International Dinner, die wir immer in den Wohnheimküchen veranstaltet haben. Essen aus Frankreich, Syrien, Spanien, Italien, Ungarn und aus aller Welt, interessante Gespräche mit tollen Menschen und Mitsingen zu französischen Songs… und dabei Teilen von Besteck, Tellern und Stühlen, weil es im Wohnheim nicht genug gibt. Und natürlich auch die Momente, in denen ich neue Sportarten und Aktivitäten das erste Mal ausprobieren durfte, ob beim Eisklettern das erste Mal den Eispickel ins Eis schlagen oder das erste Mal auf einem Snowboard zu stehen, und die mir Mut gegeben haben, mehr Sachen im Leben zu wagen und auszuprobieren. Und zuletzt natürlich auch jeder Moment, in dem ich merke, dass es leichter wird, Französisch zu sprechen und es immer automatischer klappt!
Ich hoffe, ich konnte dich mit meiner Begeisterung ein bisschen anstecken und wünsche dir ein ganz tolles Auslandssemester!