Wir posten Nachrichten auf Social Media, laden uns Apps auf das Smartphone, um zu erfahren, wie das Wetter wird, was unsere Freunde machen oder wie schnell wir gelaufen sind. Wir navigieren mit Apps und nutzen sie, um Unterhaltungen mit Menschen zu führen, deren Sprache wir nicht sprechen. Digitale, mobile Medienangebote haben unser Leben in vielfältiger Weise bereichert und meist ist deren Nutzung auch noch (vermeintlich) kostenlos. Doch auch die Nutzung von Apps hat ihren „Preis“ – indem wir mit unseren persönlichen Daten „bezahlen“, die zu einer Art Währung in der digitalen Ökonomie geworden sind.
Nun könnte man annehmen, dass Menschen sich dieses (monetären) Werts ihrer Daten bewusst sind und rationale Nutzungsentscheidungen treffen, dass sie also überlegte Entscheidungen treffen, wofür sie welche Daten preisgeben und was sie im Gegenzug dafür erhalten. Die Forschung zeigt jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Oft wird hier von einem sogenannten Privacy Paradox gesprochen: Menschen geben an, dass Ihnen der Schutz ihrer Daten wichtig ist. Schaut man sich dann an, wie Sie sich in digitalen Umwelten verhalten, ist der Umgang mit ihren persönlichen Informationen recht sorglos.
In mehreren Studien haben wir näher ergründet, warum dies der Fall ist, und wie begrenzt rational Nutzungsentscheidung von Menschen bei Apps sind. Konkret konnten wir in zwei Experimentalstudien messen, dass Menschen durchaus bereit sind, für den Schutz von Privatsphäre Geld zu zahlen, gerade im Vergleich zu anderen App-Eigenschaften. Wir fanden jedoch, dass dies insbesondere der Fall war, wenn der Schutz von Privatsphäre als Standard eingestellt war. Es fanden sich also sogenannter Default oder Endowment/Besitztums-Effekte: Das, was man schon „besitzt“ wird ungleich wertvoller eingeschätzt als das, was man gezielt hinzubuchen muss. Empfehlungen von Expert*innen konnten nicht gegen diesen Besitztums-Effekt gegensteuern (Dogruel, Joeckel & Vitak, 2017). Auch bei Jugendlichen (Joeckel & Dogruel, 2020) zeigten sich solche Besitztums-Effekte. Interessanterweise waren diese Effekte für den Schutz von Privatsphäre genauso stark wie bei Funktionen, die zu einer sozialen Vernetzung untereinander beitrugen. Die Entscheidungsumgebungen bei Apps sind aber derzeit so gestaltet, dass die Preisgabe von Informationen der Standard ist und der Schutz von Privatheit nur mit Aufwand zu erreichen ist.
Mit Bezug auf die Nutzung von Gesundheitsapp konnten wir in einer dritten Studie wiederum aufzeigen, dass die Entscheidung darüber welche und wie viele Informationen man selbst preisgibt zwar von der eigenen Einstellung zu Privatheit abhängt, dass aber das Beobachten der Preisgabe anderer Personen, die eigene Entscheidung mitbeeinflussen kann. Wenn andere leichtfertig ihre Daten preisgaben, man selbst stark an sozialen Vergleich orientiert war und ohnehin häufig Apps nutze, spielte die Einstellung zum Datenschutz eine geringer werdende Rolle (Joeckel, Henke & Dogruel, 2021; Dogruel, Joeckel & Henke, 2022).
Wenn es also um den Umgang mit unseren Daten in digitalen Umwelten geht, entscheiden Menschen eher begrenzt rational: Sie sind eher Impuls- und/oder Gewohnheitskäufer*innen, die sich leicht von anderen beeinflussen lassen als knallharte Verhandlungsprofis, die sich des Werts ihrer Daten voll bewusst sind.
Dogruel, L., Joeckel, S., & Henke, J. (2022). Disclosing Personal Information in mHealth Apps. Testing the Role of Privacy Attitudes, App Habits, and Social Norm Cues. Social Science Computer Review, 089443932211088. https://doi.org/10.1177/08944393221108820
Dogruel, L., Joeckel, S., & Vitak, J. (2017). The valuation of privacy premium features for smartphone apps: The influence of defaults and expert recommendations. Computers in Human Behavior, 77, 230–239. https://doi.org/10.1016/j.chb.2017.08.035
Joeckel, S., & Dogruel, L. (2020). Default effects in app selection: German adolescents’ tendency to adhere to privacy or social relatedness features in smartphone apps. Mobile Media & Communication, 8(1), 22-41. https://doi.org/10.1177/2050157918819616
Joeckel, S., Henke, J., & Dogruel, L. (2021). Trading Data for Health. European Journal of Health Communication, 2(3), 62–84. https://doi.org/10.47368/ejhc.2021.304