Schöne neue Welt? An der Künstlichen Intelligenz (KI) ChatGPT kommt man aktuell nicht vorbei. Für den einen ein Segen, für den anderen ein Fluch. Fest steht: ChatGPT wird unser Leben beeinflussen. Auch den Universitätsalltag. Für den Forschungsblog "WortMelder" erklären Jun.-Prof. Dr. Fabian Prochazka und Henriette Pohle von der Uni Erfurt, was ChatGPT ist, was die KI kann und wie wir mit ihr in der Lehre sinnvoll umgehen können...
ChatGPT ist ein sogenanntes “Large Language Model” (LLM), das alle möglichen Arten von Text generieren kann: eine Glückwunschkarte, einen Ablaufplan für den Kindergeburtstag, komplexer Programmcode oder die Einleitung zur Hausarbeit. Das Besondere: Die KI funktioniert wie ein Chatbot, Eingaben sind einfach im Browser über ein Dialogfeld möglich. Dank dieser einfachen Bedienung und seinen vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten wurde ChatGPT zu einer der am schnellsten wachsenden Anwendungen im Internet. Während Instagram nach seinem Start im Jahr 2010 noch über zwei Jahre brauchte, um 100 Millionen Nutzer*innen zu verzeichnen, schaffte ChatGPT dieselbe Zahl innerhalb von zwei Monaten. ChatGPT und seine Konkurrenzprodukte (z. B. Bing AI, Google Bard) funktionieren mit maschinellem Lernen: Die KI wird mit großen Mengen an Daten (das gesamte Internet) trainiert, um menschenähnliche Sprachmuster zu erkennen und zu generieren. Das Funktionsprinzip basiert darauf, dass ChatGPT schrittweise das aufgrund seiner Trainingsdaten wahrscheinlichste nächste Wort eines Satzes berechnet (hier verständlich erklärt). Das Resultat: ChatGPT erkennt und versteht Texteingaben, kann darauf antworten und eigene Texte auf Basis der Eingaben (“Prompts”) formulieren. Noch laufen die meisten solcher Anwendungen separat im Browser, in näherer Zukunft werden wir jedoch die Integration in diverse bekannte Programme sehen: So arbeitet Microsoft gerade daran, ChatGPT in Office verfügbar zu machen, und Google integriert sein LLM in Google Docs. Spätestens mit diesem Schritt dürfte die Technologie im Mainstream ankommen und alle Berufe verändern, die in irgendeiner Weise mit Text und Sprache zu tun haben. Auch für die Hochschullehre ist Text-KI also ein Thema, das sich nicht mehr ignorieren lässt.
Zu Beginn der Debatte machten sich vor allem Befürchtungen breit, dass diese Anwendungen zum Betrug genutzt werden und Studierende ihre Abschlussarbeiten von der Maschine schreiben lassen. Hier kann (noch?) Entwarnung gegeben werden: ChatGPT generiert zwar meist flüssig geschriebenen Text, der Bekanntes sehr gut zusammenfasst. Der Text wirkt aber häufig generisch, schafft nur selten eigene Abstraktionsleistungen und tut sich vor allem mit Quellenangaben äußerst schwer. Es ist also nicht zu befürchten, dass Abschlussarbeiten in näherer Zukunft vollständig von der KI verfasst werden (zumindest keine, die einer kritischen Prüfung standhalten). Bei bestimmten Prüfungsformen sieht es womöglich schon anders aus: Kurze Essays, die bekannte Konzepte aus der Literatur nur zusammenfassen und wiedergeben, sind heute schon von ChatGPT gut zu erledigen.
Wie also umgehen mit Text-KI in der Hochschule? Ignorieren, verbieten oder in die Lehre integrieren? Wir plädieren für einen offenen, neugierigen und experimentierfreudigen Zugang – aus drei Gründen: Erstens bietet Text-KI schier unendliche Möglichkeiten zum Entwickeln von Ideen, zur Strukturierung und zum Verbessern von Texten, für das Schreiben von Programmcode und vielem mehr. Es wäre geradezu fahrlässig, diese Möglichkeiten nicht zu nutzen. Zweitens werden Berufe, die mit Sprache und Text zu tun haben, in den kommenden Jahren von dieser Technologie auf den Kopf gestellt. Wir sind als Hochschullehrende in der Pflicht, Studierende auf eine von generativer KI geprägte Berufswelt vorzubereiten. Drittens: Die Anwendungen werden nicht mehr verschwinden. Wer sie nutzen will, wird das tun und wir werden (trotz einiger Versuche, z.B. GPTzero) voraussichtlich keine zuverlässige Möglichkeit haben, KI-generierte Texte immer zu erkennen.
Jetzt ist also der Moment, sich mit diesen Tools auseinanderzusetzen, sie konstruktiv, kreativ und transparent in die Hochschullehre einzubeziehen. Denn KI-Tools können bei bewusstem Einsatz, ähnlich anderen (mittlerweile selbstverständlichen) Hilfsmitteln wie Literaturverwaltung, Übersetzungssoftware oder automatische Rechtschreibkorrektur, nicht nur die Qualität einzelner Texte verbessern, sondern auch den Kompetenzerwerb an sich unterstützen. Dabei ist immer zu bedenken, dass ChatGPT und Co. keine fertigen Lösungen liefern werden – sie können vielmehr dabei helfen, einen neuen Blick auf Inhalte zu bekommen und eigene Texte und Ideen weiterzuentwickeln. Sie ersetzen die Auseinandersetzung mit Inhalten nicht, sie verlagern sie nur an eine andere Stelle. Wobei kann Text-KI in der Hochschullehre konkret helfen und wie können wir sie einsetzen?
Dabei gilt es natürlich, die möglichen Risiken nicht auszublenden. Vor allem ist eine Explikation ethischer Fragen notwendig: Bekannte Probleme von KI-Tools, seien es Unklarheiten beim Datenschutz, Einsatz unterbezahlter Arbeitskräfte, Zugangsprobleme bei zahlungspflichtigen Angeboten oder mögliche Verzerrungen und Vorurteile, können etwa in der Lehre thematisiert und kritisch reflektiert werden. Darüber hinaus braucht es verbindliche Richtlinien: Eine wichtige Aufgabe für die Hochschulgemeinschaft ist es, nachvollziehbare Regeln für den Umgang mit KI-Tools zu finden und diese klar an Lehrende und Studierende zu kommunizieren, z. B. hinsichtlich Transparenz (Nutzung kenntlich machen), Kritik (Inhalte nicht für bare Münze nehmen) und Eigenständigkeit (keine kompletten Texte unbearbeitet übernehmen).
Die Fortschritte im Bereich künstlicher Intelligenz sind derzeit rasant und es ist noch kaum absehbar, wie leistungsfähig die weiteren Versionen von ChatGPT und ihren Konkurrentinnen sein werden. In jedem Fall werden spätere Versionen größere Mengen Text erstellen können, vermutlich noch präziser werden und vor allem mit anderen Anwendungen im Internet interagieren können (z. B. Wolfram Alpha für mathematische Operationen oder Zapier für automatisierte Workflows). Text-KI wird also tiefer und nachhaltiger in unseren Medienumgang und Arbeitsalltag integriert werden. Trotzdem oder gerade deshalb – und aus Kenntnis der Mechanismen öffentlicher Aufregung rund um neue Medientechnologien – plädieren wir für einen pragmatischen Blick. Trotz der beeindruckenden Entwicklungen ist Text-KI menschlichen Denkleistungen in vielen Bereichen (noch?) nicht überlegen, keine Abschlussarbeit lässt sich komplett mit KI schreiben. Die Anwendung kann jedoch in vielen Fällen nützlich sein, kann Hürden abbauen und vor allen Dingen auch Spaß machen. Lasst uns damit experimentieren und in einen offenen Austausch treten!