In einer zunehmend digitalisierten Welt sind Aktivist*innen, Journalist*innen und Kulturschaffende, die sich in repressiven Systemen für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzen, oft hohen Risiken ausgesetzt. Digitale Überwachung, Zensur und gezielte Angriffe bedrohen nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre persönliche Sicherheit. Eine kürzlich veröffentlichte Machbarkeitsstudie „COOP_IT“, durchgeführt von der Berliner Nichtregierungsorganisation Kiron Open Higher Education in Zusammenarbeit mit der Willy Brandt School of Public Policy der Universität Erfurt und im Auftrag des Auswärtigen Amts, zeigt Wege auf, wie diese Risiken reduziert werden können.
Ein Team von Studierenden der Willy Brandt School of Public Policy hat gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation Kiron Open Higher Education, bekannt für ihre Arbeit zur Integration von geflüchteten Menschen ins deutsche Bildungssystem, untersucht, wie sich Menschen in illiberalen Regimen sicherer im digitalen Raum bewegen können. Mit dem deutlichen Anstieg an Autokratien in den vergangenen Jahren sind auch die Rechte von Minderheiten und die Räume für eine kritische Meinungsäußerung stärker gefährdet. Im Rahmen der Studie wurden Konzepte für zentrale Online-Plattformen untersucht, die Nutzer*innen miteinander in den Austausch bringen und dabei helfen sollen, geschützt im digitalen Raum zu agieren.
Laut Projektleiterin Dr. Gunda Amat Amaros geben die Ergebnisse der Studie Anlass zur Hoffnung. Es existiert bereits eine Vielzahl an Informationsangeboten zur digitalen Sicherheit, darunter fallen etwa die Nutzung von VPN-Clients und Multifaktor-Authentifizierungen. Trotz der überwiegend positiven Ergebnisse sieht Amaros weiterhin Herausforderungen:
[…] leider sind diese Schutzmaßnahmen oft zu wenig bekannt. Viele Aktivist*innen nutzen digitale Tools nicht, weil sie die Übermacht repressiver Regime und die Wirksamkeit von Schutzinstrumenten falsch einschätzen.“
Im Rahmen des Projekts führten Studierende der Brandt School unter Anleitung von Prof. Dr. Achim Kemmerling 20 Interviews mit Aktivist*innen aus Ländern wie Venezuela, Kasachstan oder Myanmar – Länder, in denen Repressalien und digitale Überwachung feste Bestandteile des Alltags sind. Die Gespräche gaben tiefe Einblicke in unterschiedliche Risiken, denen sich Aktivist*innen weltweit aussetzen, und lieferten eine Grundlage für praxisnahe Empfehlungen. In Afghanistan etwa nutzen Aktivist*innen verschlüsselte Dienste wie Signal oder Proton Mail zur Kommunikation, sensible Inhalte werden offline gespeichert und in Regionen mit einer begrenzten Internetinfrastruktur steht die Zugänglichkeit von Plattformen für geringe Datenmengen im Fokus. In Venezuela betonen Journalist*innen, wie wichtig es ist, sich im Netz möglichst anonym zu bewegen, international zusammenzuarbeiten und Nichtregierungsorganisationen beim Aufbau und der Instandhaltung sicherer Plattformen zu unterstützen. Auch in Myanmar nutzen Aktivist*innen v. a. Pseudonyme und dezentrale Tools mit geringen Datenmengen, zum Schutz vor der Verfolgung durch die Regierung werden Dokumente sogar außerhalb der Landesgrenzen aufbewahrt. Entscheidend in all diesen Ländern ist es, landesspezifische Strategien für unterschiedliche Rahmenbedingungen und Bedrohungen zu entwickeln und ggf. anzupassen.
Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie verdeutlichen, dass gezielte Aufklärung und die Verbreitung von Informationen über digitale Schutzmaßnahmen entscheidend sind, um Menschen in repressiven Systemen besser zu schützen. Die Brandt School und Kiron Open Higher Education leisten mit ihrer Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag, um die digitale Sicherheit von Aktivist*innen, Journalist*innen und Kulturschaffenden zu stärken.
Die Arbeit am gemeinsamen Projekt zeigt: Solidarität und geteilte Expertise können dazu beitragen, gefährdeten Menschen konkrete Hilfestellung zu geben. Ein Grund mehr, das Thema digitale Sicherheit in den Fokus von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu rücken.