CERLECO hilft Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Ecuador

Einblicke , Vorgestellt
Bild CERLECO

San Pedro ist ein kleines Dorf an der ecuadorianischen Küste. Hier leben etwa 8.000 Menschen. Wie auch in vielen Marginalgebieten Ecuadors sind die Lebensbedingungen vor Ort schwierig. Durch die wirtschaftliche Dauerkrise des Landes und der daraus folgenden extremen Armut ist die Lebensqualität der Bewohner eingeschränkt. Es fehlt an adäquater medizinischer Versorgung, die Infrastruktur ist nicht gut ausgebaut, die Menschen sind arm und es kommt häufig zu Mangelernährung. Für Kinder mit Behinderung ist diese Situation besonders belastend. Viele bekommen nicht die dringend nötige Versorgung, um ein würdiges Leben zu führen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Genau hier versucht das Projekt CERLECO (Centro de estimulatión y rehabilitación del lenguaje y la communicación) anzusetzen. Mit einem Zentrum zur Förderung, Rehabilitation und Inklusion von Kindern mit (Sprach-)Behinderung unterstützt es bereits seit 2002 betroffene Kinder, Jugendliche und deren Familien. Nun wurde eine Kooperation mit der Professur für Inklusive Bildungsprozesse bei Beeinträchtigungen in Sprache und Kommunikation unter der Leitung von Prof. Dr. Sandra Neumann der Universität Erfurt geschlossen. Die Zusammenarbeit zwischen der Kommune San Pedro, den Therapeut*innen, Eltern, Wissenschaftler*innen und Studierenden der Förderpädagogik soll partizipativ gestaltet werden und die Bedürfnisse aller Beteiligten aufgreifen.

Dr. Amelie Abarca Heidemann

„Die Erfahrungen der TU Dortmund, die am Anfang des Projekts Partner von CERLECO war, haben gezeigt, dass gerade die Zusammenarbeit mit Studierenden neue Perspektiven und eine besondere Lebendigkeit in das Projekt bringt. Ich freue mich, dass wir das jetzt mit der Uni Erfurt weiterführen können“, betont Dr. Amelie Abarca Heidemann. Die deutsch-ecuadorianische Rehabilitationswissenschaftlerin ist die Initiatorin des Projektes und hat zehn Jahre an der Universität in Quito gearbeitet. Seit März dieses Jahres forscht und lehrt sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Uni Erfurt im Bereich Sprachförderung und -erwerb unter Risikobedingungen. Dass sie CERLECO mit nach Erfurt bringt, war ihr eine Herzensangelegenheit. Viel haben die Projektbeteiligten in den vergangenen Jahren geschafft, umso wichtiger ist es nun, die Arbeit aufrechtzuerhalten und neue Forschungsprojekte zu initiieren. „Als wir mit unserer Arbeit ganz am Anfang standen, wurden die betroffenen Kinder diskriminiert, ihnen wurde der Zugang zu schulischer Bildung verwehrt und sie wurden aus Scham vor der Öffentlichkeit versteckt. Die Familien wurden von Ärzten und der Kommune allein gelassen, waren hilflos und viele Kinder verwahrlosten.“ Mit CERLECO sollte sich das ändern. Es wurden Einheimische als Therapeut*innen ausgebildet, von der Kommune wurden Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, die nicht nur als Förderzentrum sondern auch Treffpunkt und Anlaufstelle für Eltern fungieren. So wurden die Kinder und Jugendlichen entsprechend ihrer Bedürfnisse einzeln oder in Gruppen gefördert, ihre Eltern beraten und Familien konnten sich vernetzen und austauschen. „In erster Linie ist es natürlich unser Ziel, die Kinder zu rehabilitieren, ihre Fähigkeiten zu fördern und sie an eine Selbstständigkeit heranzuführen“, sagt Amelie Abarca. „Aber zunächst galt es, die Eltern und die Kommune ins Boot zu holen. Ohne sie wäre das alles nicht denkbar gewesen. Die Eigenbeteiligung der Dorfbewohner und die Selbstbestimmheit der Eltern waren wichtige Faktoren des Projekterfolges und der -weiterentwicklung.“ Durch gezielte Information und Beratung konnten die Mitarbeiter*innen in San Pedro und der Region Vorurteile abbauen und ein Umdenken in Gang setzen. Mittlerweile werden 80 bis 100 Kinder und Jugendliche in dem Projekt betreut. Es gibt Kooperationen mit anderen Projekten aus der Umgebung, gemeinsame Veranstaltungen fördern die soziale und gesellschaftliche Teilhabe und nach und nach haben die Familien so ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. „Viele Eltern waren zunächst überrascht, welche Fähigkeiten ihre Kinder eigentlich haben“, weiß die Wissenschaftlerin. „Aber sie haben schnell gemerkt, dass sie ihre Kinder nicht verstecken müssen, dass sie selbst die Kraft haben, mit etwas Unterstützung Dinge zu verändern und dass sie gemeinsam etwas in der Gesellschaft erreichen können.“ Heute setzen sie sich dafür ein, dass Kinder eingeschult werden, dass sie respektvoll behandelt werden und ein Recht auf Partizipation haben. Und: Mit Stolz verteidigen sie ihr Projekt auch in schwierigen Zeiten. Amelie Abarca erinnert sich: „Vor einiger Zeit sollte es einmal mehr vom Staat übernommen und als reines Frühförderprogramm weitergeführt werden. Das hätte alle Kinder ab einem bestimmten Alter ausgeschlossen. Aber die Eltern sind an die Öffentlichkeit gegangen und konnten über die Presse solchen Druck aufbauen, dass das Projekt unverändert beibehalten blieb.“

Jetzt soll das Projekt in Kooperation mit der Universität Erfurt fortgeführt werden. Gemeinsam mit den Beteiligten in Ecuador führt der Arbeitsbereich von Prof. Dr. Sandra Neumann gerade Gespräche darüber, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden kann. Dabei fungiert Amelie Abarca als Kontaktperson zwischen den Seiten und schaut vor Ort, welche Möglichkeiten sich für beide Parteien eröffnen, welche Ideen überhaupt realisierbar wären, welche Forschungsthemen sinnvoll sein könnten und wie Praktika für Studierende organisiert werden können. Eines steht aber auch in der Findungsphase schon fest: Die Zusammenarbeit wird allen Beteiligten neue Impulse geben – ein Gewinn also für die Universität Erfurt und die Kinder in San Pedro.

Dr. Amelie Abarca Heidemann
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Inklusive Bildungsprozesse bei Beeinträchtigungen in Sprache und Kommunikation
(Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
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