Heute wünschen sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinden weltweit wieder „Shanah Tovah“. Was es damit auf sich hat und welche Bräuche damit verbunden sind, hat „WortMelder“ bei Dr. Claudia Bergmann, Projektkoordinatorin im Research Centre „Dynamik ritueller Praktiken im Judentum in pluralistischen Kontexten von der Antike bis zur Gegenwart“ der Universität Erfurt nachgefragt:
„Am 21. September 2017, oder am 1. und 2. Tischri nach jüdischer Zählung, feiert die jüdische Welt in diesem Jahr den Neujahrstag Rosh HaShana. Dann heißt es auch wieder ‚Shanah Tovah‘! Also: Frohes neues Jahr! Die jüdische A-Capella-Gruppe ‚The Maccabeats‘, die sich in ihren Songtexten immer wieder mit jüdischen Feiertagen auseinandersetzt, hat in diesem Jahr ‚This is the New Year‘ von A Great Big World adaptiert und singt: ‚Another year you made a promise, another chance to turn it all around. And do not save this for tomorrow, embrace the past and you can live for now.‘
Rosh HaShana ist einer der höchsten Feiertage im jüdischen Kalender und soll an den Bund zwischen Gott und Gottes Volk Israel erinnern. Zum einen geht es also darum, die Vergangenheit zu vergegenwärtigen und Gott zu danken für das, was gewesen ist. Zum anderen sind aber auch die Gegenwart und die Zukunft wichtig, denn der Bund Gottes mit den Menschen gilt, so glaubt man, noch immer. Im Judentum sind es gerade die alltäglichen Handlungen zwischen den Menschen, die die Religion ausmachen. Und diese stehen unter dem Schirm des Bundes Gottes in Vergangenheit und Gegenwart. Man kann also nur im Heute leben, singen die Maccabeats, wenn man die Vergangenheit kennt und annimmt. Deshalb ist Rosh HaShana auch ein Tag für gute Vorsätze, für einen Neuanfang. Viele der privaten Traditionen deuten genau auf diesen Neuanfang hin. So geht man zum Beispiel an ein fließendes Gewässer und wirft ein Stein oder ein Stück Brot hinein, um die Fehler des vergangenen Jahres symbolisch hinter sich zu lassen. Oder man öffnet einen Granatapfel und verzehrt die Kerne, denn so wie diese Frucht viele kleine Früchte enthält, soll das eigene Leben mit vielen guten Taten gefüllt sein. Ein Apfel, der in Honig getaucht wird, soll den Wunsch symbolisieren, dass das neue Jahr süß werden möge. Ein süßes Weißbrot, die Challe, die am Schabbat als Zopf gebacken wird, kommt zu Rosh HaShana als Kranz auf den Tisch und soll der Hoffnung Ausdruck geben, dass das Jahr ‚rund‘ wird. Höhepunkt vieler privater Feiern und der Liturgie in der Synagoge ist der Blasen des Schofar, des Widderhorns. Dieses Instrument erinnert an die geplante Opferung Isaaks durch Abraham in der Hebräischen Bibel, an die Eroberung Jericho oder auch an die Bräuche, die mit der Krönung eines Königs in Israel verbunden waren. Auch heute erklingt es zum Morgengebet an Rosh HaShana und soll einen Weckruf darstellen, der die Menschen auf den Weg zu Gott zurückbringt. Wieder sind die Erinnerung an die Vergangenheit und die erneute Ausrichtung auf die Zukunft miteinander verbunden. Denn nur wenn das gelingt, kann das neue Jahr tatsächlich ein gutes werden.
Allen, die Rosh HaShana in diesem Jahr begehen, wünschen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Research Centres ‚Dynamik ritueller Praktiken im Judentum in pluralistischen Kontexten von der Antike bis zur Gegenwart‘: Shanah Tovah!“