Klassische Ultraschallbilder gehören schon seit Jahrzehnten zum Alltag werdender Eltern. Die fortschreitende Integration technischer Medieninnovationen in unsere Lebenswelt hat auch die bildgebenden Verfahren der Pränataldiagnostik verändert: Seit einigen Jahren können werdende Eltern ihr ungeborenes Babys in plastischen, dreidimensionalen, fotorealistisch anmutenden Bildern sehen. Die Technik der sogenannten 3D-Sonografie wird aus medizinischer Perspektive vor allem im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge und Fehlbildungsdiagnostik genutzt. Was aber bedeuten die Bilder für die werdenden Eltern, für ihre Beziehung zum Kind oder die Identifikation mit der neuen Eltern-Rolle? Erstaunlicherweise hat sich das bisher offenbar kaum jemand gefragt. Genau an dieser Stelle setzt das interdisziplinäre Forschungsprojekt der Kommunikationswissenschaftlerin Stephanie Geise von der Universität Erfurt an.
Gemeinsam mit Pränataldiagnostiker Dr. med. Andreas Brückmann vom Pränataldiagnostikzentrum Erfurt hat sie sich eben diesen Fragen gewidmet, rund 40 qualitative Leitfadeninterviews mit werdenden Eltern geführt und sie zur persönlichen Bedeutung der Ultraschallbilder sowie den verbundenen Prozessen der Bildaneignung und des Bildhandelns befragt. Die ersten Befunde der gesellschaftlich hoch relevanten Studien werden nun heute erstmals in Bremen im Rahmen der Tagung "Visualisierung – Mediatisierung" der Fachgruppe Visuelle Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft präsentiert und diskutiert.
"Die Ergebnisse sind faszinierend", sagt Dr. Stephanie Geise. "In den Gesprächen mit Eltern wird ganz deutlich, dass die nahezu 'lebensechte' Qualität der 3D-Bilder bereits in einer frühen Phase der Schwangerschaft eine engere Bindung zwischen Eltern und dem werdenden Kind begünstigt." Die 3D-Motive könnten dazu beitragen, die werdenden Eltern auf ihre Rolle als Eltern vorzubereiten, zusätzlich die Bindung an das Kind zu festigen sowie aufkommende Zweifel und grundsätzlich Unsicherheiten und Ängste in der Schwangerschaft zu reduzieren. "Besonders für die werdenden Väter, die die Schwangerschaft sonst eher durch die Frau vermittelt erleben, sind die 3D-Bilder ein unglaublicher, unmittelbar erlebbarer Mehrwert", erklärt Geise. Die gemeinsame Studie mache deutlich, welch enorme soziale und sozialpsychologische Bedeutung den Bildern neben der diagnostischen medizinischen Funktion zukommt. So ist es nach Ansicht von Stephanie Geise auch kaum zu verstehen, dass die Forschung dieses so wichtige Feld bisher ausgeblendet habe. "Wir wissen noch immer viel zu wenig über die sozialen Funktionen und Wirkungen der 3D-Sonographien", sagt auch der Mediziner Dr. Andreas Brückmann. Eine Fortsetzung des interdisziplinären Kooperationsprojekts ist deshalb geplant.