Die starken Männer sind zurück: Warum Trump, Musk und Co. das Patriarchat wiederbeleben

Gastbeiträge
Bildkollage aus einem Polaroidbild mit Portätbild von Prof. Dr. Jürgen Martschukat, im Hintergrund farbige Flächen und Schriftzug: Nachgefragt bei Prof. Dr. Jürgen Martschukat

Plötzlich sehen wir sie wieder überall: Autokratische Männer an der Spitze der Weltmacht, die vor allem damit beschäftigt sind, sich selbst zu feiern und ihre Kraft zu inszenieren, die einfache Lösungen für komplexe Fragen bieten und ihren Führungsanspruch ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen. Beispielhaft für diese Entwicklung die vor laufenden Kameras zur Schau gestellte Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj am vergangenen Freitag im Weißen Haus, als US-Präsident Donald Trump und sein Vizepräsident J.D. Vance einmal mehr ihre Dominanz demonstrierten. Wir haben Prof. Dr. Jürgen Martschukat, Inhaber der Professur für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt, gefragt, warum dieses konservative, überwunden geglaubte Männerbild gerade jetzt wieder Konjunktur hat.

Herr Professur Martschukat, warum erleben dominante Männer, die mit ihrer Kraft protzen und die Grenzen ihrer Macht immer weiter verschieben, gerade jetzt ein Comeback?
Um die Frage zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen: Ich denke, dass wir seit einigen Jahren in einer Zeit großer Verunsicherung leben. Viele der vermeintlich stabilen Koordinaten haben sich als viel instabiler erwiesen als sie uns vielleicht irgendwann einmal erschienen sind oder als viele Menschen sie gerne hätten. Das hat einerseits mit der neoliberalen Gesellschaftsordnung zu tun, in der beispielsweise so etwas wie eine klare berufliche Situation für nur die wenigsten gegeben ist: Die Leute sind heutzutage in ihrem Job nicht mehr sicher und arbeiten auch nicht mehrere Jahrzehnte bei derselben Firma. Zweitens ist vielen Menschen unklar, wofür Deutschland eigentlich steht, wer dazu gehört und wo etwa relevante politische Entscheidungen getroffen werden – in Berlin oder in Brüssel? Drittens kommt eine Geschlechterordnung dazu, die zunehmend flüssiger und weniger eindeutig geworden ist, sowie generell eine erhöhte Diversität in der Gesellschaft, über die viel und aufgeregt diskutiert wird.
Das scheint Menschen zu verunsichern und zu überfordern, und wir wissen aus der Geschichte, dass in solchen Situationen Geschlecht und Körper als Kategorien erscheinen, die Stabilität versprechen und die scheinbar eine Rückbesinnung auf etwas ermöglichen, das natürlich gegeben scheint, auch wenn wir wissen, dass dem nicht so ist. So kommt es in Momenten gesellschaftlicher Krisenerfahrung häufig zu einer Rückbesinnung auf traditionelle Männlichkeitsvorstellungen: eine Männlichkeit, die mit körperlicher Stärke assoziiert wird, die klare Kante zeigt, die vorwärtsdrängt und Entscheidungen trifft. Als Körperhistoriker finde ich besonders interessant, dass da eben eine Rückbesinnung auf etwas stattfindet, das als natürlich gedacht wird, es zugleich aber in erhöhtem Maße aufgeführt wird. Die Vorstellung des Natürlichen wird also kulturell produziert; das gilt für den Körper wie für Geschlecht.

Was macht diese kämpferischen Männerbilder so attraktiv für viele, dass sie zu politischen Leitfiguren werden?
Ich glaube, dass das mit der allgemeinen Überforderung zusammenhängt, mit der sich viele Leute angesichts der Vielzahl an Instabilitäten und komplexen Problemlagen tagtäglich konfrontiert sehen. Immerzu sind Entscheidungen von uns Menschen verlangt, die uns überfordern. In solchen Konstellationen ist eine starke Männlichkeit, die vorgibt, uns da durchzunavigieren und uns Führung verspricht, von extrem großer Attraktivität. Es hängt dann nicht mehr alles von unseren eigenen Entscheidungen und Handlungen ab, wie es in einer neoliberalen Gesellschaft verlangt wird und wie es uns in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder mitgegeben worden ist. Es wird suggeriert, dass wir die Verantwortlichkeit ein Stück weit delegieren können, und das macht diese Form von starker Männlichkeit, die auch über den starken Körper symbolisiert wird, für viele so attraktiv.

Einfache Lösungen für eine komplizierte Welt verkünden, kompromisslos und ohne Rücksicht auf Verluste den eigenen Weg verfolgen: Warum spielt Emotionalität bei autoritärer Männlichkeit eine viel wichtigere Rolle als Rationalität?
Was ich zunächst erst einmal beobachten würde, ist, dass größtmögliche Komplexitätsreduktion offensichtlich verfängt. Wenn wir uns an Donald Trump im US-amerikanischen Wahlkampf 2024 erinnern, dann hat er eigentlich nicht viel angeboten außer, dass er massenhaft Menschen ausweisen und Zölle erheben will. Man muss nicht sehr viel Ökonomie studiert haben, um zu wissen, dass das eher kontraproduktiv wirkt, was ja politisch auch so diskutiert wird. Aber was er vor allem gesagt hat, war „I’ll fix it“ – ich regle das für euch – und das ist es dann auch schon, und die Leute sind begeistert.
Wenn wir uns die jüngsten Wahlkämpfe in Deutschland und Thüringen angucken, dann war das, was man zumindest an Plakaten gesehen hat, an Simplizität nicht mehr zu überbieten. Bei der AfD gibt es zwei Geschlechter, freie Fahrt für Verbrenner und Remigration werden gefordert – das sind die Schlagworte, die aufgerufen werden, mit deren Hilfe aber auch nicht erklärt wird, wie sie zur Problemlösung beitragen sollen. Aber auch bei den anderen Parteien hat man gesehen, dass im Wahlkampf sehr stark auf einzelne Begriffe, Slogans oder auch nur Namen reduziert wurde. Vielleicht bieten sich vermeintliche klare Kante ebenso wie Emotionalität in solchen Momenten eher an, um politische Gefolgschaft zu generieren, die man über Rationalität und den Versuch, systematisch die Probleme anzugehen, in der Form nicht mehr generieren kann. Es kommt offenbar darauf an, die Leute mitzunehmen und für sich zu begeistern, einen Glauben an die eigene Fähigkeit zu kreieren, Probleme zu lösen, ohne dabei ins Detail zu gehen. Da sind rationale Argumente und ein Auseinandernehmen der Problemlage offensichtlich nicht mehr en vogue.

Mit einer übertrieben inszenierten Männlichkeit versuchen solche Männer, die einer traditionellen Männlichkeit anhängen, einem gefühlten Verlust an Macht zu begegnen. Der gefühlte Verlust von Macht, kombiniert mit einer Überforderungserfahrung, über die wir eingangs gesprochen haben, mündet dann gern in Ressentiment gegen wen oder was auch immer. Auch „Make America Great Again“ bedeutet nicht zuletzt, einer zunehmenden Diversität der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen.



Gehören das männliche Posen und Inszenieren auch zu einem Backlash des Patriarchats, das sich gegen erstarkte feministische Stimmen und eine vielfältige Gesellschaft richtet?
Ja, auf jeden Fall. Das ist ein unglaublich wichtiger Faktor, und das können wir auch wieder beim Blick in die Geschichte sehen. Eine Form von traditioneller und patriarchaler Männlichkeit mobilisiert für gewöhnlich dann, wenn Frauen und andere gesellschaftliche Gruppen politisch und gesellschaftlich an Terrain gewinnen. Es geht dabei um Macht und Hegemonie, also um die Frage, wer eigentlich den größten Zugriff auf gesellschaftliche Ressourcen hat und wer an der Gestaltung der Gesellschaft am stärksten mitwirken kann. Mit einer übertrieben inszenierten Männlichkeit versuchen solche Männer, die einer traditionellen Männlichkeit anhängen, einem gefühlten Verlust an Macht zu begegnen. Der gefühlte Verlust von Macht, kombiniert mit einer Überforderungserfahrung, über die wir eingangs gesprochen haben, mündet dann gern in Ressentiment gegen wen oder was auch immer: „die Politik“, „die Frauen“, „die Migranten“. Das lässt sich gerade ganz hervorragend in den USA beobachten, wo der Kampf gegen alles und alle, die als „woke“ gelten, zur konservativen Obsession geworden ist. Die verschiedenen Maßnahmen der vergangenen Jahre im Bereich DEI (diversity, equity and inclusion = Diversität, gerechte Teilhabe, Inklusion), die auf die Gleichstellung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ausgerichtet waren, werden systematisch zurückgefahren, und Unternehmen folgen der Regierungspolitik in einer Art vorauseilendem Gehorsam gern. Auch „Make America Great Again“ bedeutet nicht zuletzt, einer zunehmenden Diversität der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die beschworene Größe beschreibt etwas, von dem man glaubt, es verloren zu haben und das man zurückgewinnen will. Wir haben es also mit einer rückwärtsgewandten Bewegung zu tun, und was sie anstrebt, ist ein Zurückkehren in eine Zeit vor den Bürgerrechtsbewegungen, vor der feministischen Bewegung, vor der Schwulen- und Lesbenbewegung, die viele der besagten irritierenden gesellschaftlichen Veränderungen angestoßen und zumindest auch ein Stück weit etabliert haben. Also, „Make America Great Again“ ist immer patriarchal und weiß zu denken.
Man hoffte ja, dass dieser patriarchalen Männlichkeit vor einigen Jahren mit der MeToo-Bewegung endgültig ein Ende gesetzt worden sei. Aber die Gegenwart spricht eine andere Sprache. Dass zum Beispiel jetzt sexuelle Belästigung, etwa im Umfeld von Donald Trump und der US-amerikanischen Regierung, offenbar wieder salonfähig geworden ist bzw. kein Problem mehr für eine politische Karriere darstellt, ist Teil dieses patriarchalen Backlashs und einer erstarkten Kultur der Grenzverletzung als Prinzip. Wir haben es hier auf jeden Fall mit einer Reinszenierung eines offensiv agierenden Patriachats zu tun, die dann mit dieser verbreiteten Suche nach Stärke, nach Anleitung, nach Führung tatsächlich sehr stark verfängt.

Können Sie als Historiker ein noch weiter zurückliegendes Beispiel nennen, wo sich das Patriarchat bereits bedroht gefühlt hat?
Wir sehen das z.B. schon in den 1890er-Jahren in den USA, wo man im Zuge der sich sehr stark modernisierenden Gesellschaft und der ersten Frauen- und Wahlrechtsbewegung eine Gefährdung von Vorstellungen einer starken Männlichkeit empfand. Auf diese Gefährdung wurde dann entsprechend reagiert, indem eine Form der vorwärtsdrängenden Männlichkeit mobilisiert wurde und dabei eine starke männliche und weiße Körperlichkeit inszeniert wurde. Körpertraining bekam Konjunktur, Muskeln kamen in Mode – weiße Männlichkeit versuchte sich zu stählen und ihre Stärke zu beweisen. Etwas Ähnliches sehen wir dann auch in den 1970er- und 80er-Jahren, als die zweite Welle des Feminismus an Dynamik gewinnt und wir allzu bald in einen Körperkult hineingleiten, den viele noch von Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und all den anderen raubeinigen, muskelbepackten Kerlen kennen, die die Medien bevölkert haben. Zu beobachten waren auch in dieser Zeit eine Form von männlicher Körperlichkeit und ein starker, patriarchaler Backlash.

Wie hängt diese Entwicklung mit der Bewegung der Tradwives zusammen?
Ich verstehe die Tradwives als Ausdruck einer Bewegung konservativer Frauen, die ebenfalls nach einer klaren Ordnung streben, und in dieser Ordnung ist Geschlecht ein zentraler Referenzpunkt. Das gilt eben nicht nur für Männer. Auch das haben wir schon in der konservativen Bewegung der 1980er-Jahre gesehen. Alexander Obermüller hat das in seiner Dissertation an der Universität Erfurt hervorragend gezeigt. Wir sprechen in der Forschung nicht umsonst von Geschlechter- und Gesellschaftsordnung, die eng ineinander verschränkt sind.
Was ich daran auch sehr interessant finde, ist, dass diese Vorstellung traditioneller Weiblichkeit, die bei den Tradwives zum Ausdruck kommt, ebenfalls eine sehr nostalgische ist. Das heißt, es geht darum, eine Art Vergangenheit wiederzubeleben, die in dieser Form in der Geschichte eigentlich so gut wie nie existiert hat, außer vielleicht in einem ganz kurzen Zeitraum der 1950er-Jahre. Das Rollenmodell, das die Tradwives zelebrieren, ist nie die Lebensrealität der Mehrheit der Frauen in der Geschichte gewesen. Zum Beispiel haben die meisten Frauen gearbeitet und zum Familieneinkommen beigetragen, wenn sie nicht einer kleinen bürgerlichen Schicht angehörten. Die Geschlechtergeschichte hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten den weiblichen Beitrag zur Arbeitswelt, zur Geschichte der Industrialisierung, stark betont. Frauen haben immer in den Fabriken gearbeitet – oder auf den Feldern. Tradwives zelebrieren also eine nostalgische Version von Geschichte und Geschlecht, die so nicht existiert hat.

Im Moment lässt sich beobachten, dass eine stark daherkommende, nach sehr traditionellen Vorbildern operierende Männlichkeit, die durchaus auch ausgeprägte misogyne Züge aufweist, wieder salonfähig geworden ist und regelrecht Konjunktur hat.


Was bedeutet die aktuelle Entwicklung und Rückwendung hin zu einem starken Männerbild für unsere Geschlechterrollen? Wie soll ein Mann denn nun sein?
Das ist genau das, was unklar ist und wogegen diese vermeintliche Eindeutigkeit von Geschlecht ins Spiel gebracht wird. Dass Männlichkeit de facto etwas ist, das auf vielen Spielfeldern ausagiert wird und ein breites Spektrum abdeckt, das können wir auch im Alltag sehen. Um es plakativ zu formulieren: Die einen lackieren sich die Fingernägel, die anderen rennen halbnackt durch den Wald oder reden davon, dass sie mit Pfeil und Bogen jagen gehen. So wie jüngst Mark Zuckerberg in einem Podcast, wo dann sogar klar wurde, dass er das noch nicht mal tut. Aber allein zu behaupten, jagen zu gehen, inszeniert offensichtlich eine Männlichkeit, die gerade in diesem Moment so etwas wie Hegemonie verspricht, also den Zugang zu Ressourcen. Das heißt, die Frage, wie soll ein Mann sein, lässt sich so eindeutig nicht beantworten, weil das variiert und es unterschiedliche Entwürfe gibt. Im Moment jedenfalls lässt sich beobachten, dass eine stark daherkommende, nach sehr traditionellen Vorbildern operierende Männlichkeit, die durchaus auch ausgeprägte misogyne Züge aufweist, wieder salonfähig geworden ist und regelrecht Konjunktur hat.

Welches Männerbild hat sich, blicken wir einmal nach Deutschland, Ende Februar im Bundestagswahlkampf durchgesetzt?
Nach allem, was man so lesen kann, und auch verschiedene Studien zeigen das, haben viele der verunsicherten und irritierten weißen Männer die AfD gewählt. Eine Partei, die sehr offensiv für konservative Geschlechtermodelle und eine konservative Geschlechterordnung sowie eine starke Männlichkeit eintritt und die damit verbundenen, vereinfachenden Lösungen. Dass deren Spitzenkandidatin Alice Weidel mit einer Frau verpartnert ist, die aus Sri Lanka stammt, die beiden zwei Söhne von zwei verschiedenen Männern großziehen und zumindest einen ihrer Lebensorte auch in der Schweiz haben – das ist eine der großen Ungereimtheiten. Alice Weidel hat sich ja bemüht, mögliche Irritationen diesbezüglich im Fernsehen auszuräumen, indem sie betont hat, dass sie trotzdem ein konservatives Geschlechtermodell als Leitmodell anerkenne.
Wenn Sie fragen, welche Form von Männlichkeit sich nun am Tag der Bundestagswahl durchgesetzt hat, dann scheint mir Friedrich Merz eher für eine biedere und zugleich jungenhafte Form von Männlichkeit zu stehen, auch wenn er sich vor der Wahl nach Kräften bemüht hat, Handlungsstärke zu signalisieren. Die Vorgehensweise beim sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz war ja vor allem darauf ausgerichtet, nicht nur in einer spezifischen Sachfrage Ergebnisse zu erzielen, sondern überhaupt Handlungsfähigkeit zu zeigen. Und auch hier wurde die Komplexität der Situation wieder stark reduziert. Weiterhin war bei der Wahl zu sehen, dass der reflektierte und eher zurückhaltend daherkommende Robert Habeck, der sich darum bemüht, der Komplexität der Probleme gerecht zu werden, bei der Mehrheit der Leute nicht reüssieren konnte. Von all den an der Ampel-Koalition beteiligten Parteien haben die Grünen aber noch am wenigsten verloren.
Das Feld in Deutschland ist da komplizierter aufgestellt als in den USA.  Dort stand mit Donald Trump die weiße Ikone einer nostalgischen männlichen Kraftkultur der Schwarzen Frau Kamala Harris gegenüber, die betonte, das Rad in gesellschaftspolitischen Fragen nicht zurückdrehen zu wollen. Wir wissen, wie es ausgegangen ist.