Die gegenwärtige Corona-Krise stellt Thüringer Lehrerinnen und Lehrer vor große Herausforderungen. Nicht nur soll angemessener Ersatz für Unterricht realisiert werden. Lehrerinnen und Lehrer müssen aktuell auch Wege finden, wie sie ihrem pädagogischen Auftrag – trotz der Distanz – gerecht werden können. In vielen Fällen bedeutet das: Digitalisierung über Nacht. Wie gut das gelingt und welcher Unterstützungsbedarf besteht, das ist dabei die „große Unbekannte“.
Vor diesem Hintergrund haben Dr. Benjamin Dreer von der Erfurt School of Education der Universität Erfurt und Professorin Bärbel Kracke vom Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie am Institut für Erziehungswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena Anfang April eine landesweite Online-Befragung unter rund 1200 Lehrkräften – verteilt über verschiedene Schularten und Schulamtsbereiche – durchgeführt und damit Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe Thüringer Lehrkräfte in der aktuellen Situation sowie für den Neustart an den Schulen erhoben. Nun liegen erste Ergebnisse vor.
Sie zeigen:
- Thüringer Lehrer*innen arbeiten in der Distanzbetreuung vorwiegend mit klassischen Arbeitsmitteln wie Büchern und Arbeitsheften sowie mit digitalen Standardmitteln (z.B. PDF und E-Mail, Angebote der Schulbuchverlage), die ihnen bereits aus der Zeit vor den Schulschließungen vertraut sind.
- Ein großer Teil der befragten Thüringer Lehrer*innen sieht die wesentliche Herausforderung der Distanzbetreuung darin, dass besonders leistungsschwache und Schüler*innen mit besonderen Förderbedarfen sowie mit nicht-deutscher Familiensprache aktuell wesentlich schlechter erreicht werden können und die Leistungsunterschiede bei den Schüler*innen in der Zeit des Distanzunterrichts zunehmen werden. Sie wünschen sich vor diesem Hintergrund Möglichkeiten, die entstandenen Defizite nach dem Neustart zu adressieren und sind außerdem mit großer Mehrheit der Auffassung, dass Eltern sowie die Abstimmung zwischen den Fachkolleg*innen von Bedeutung für den Erfolg des Distanzlernens sind.
- Ein großer Teil der befragten Lehrer*innen zeigt sich der aktuellen Situation und den damit verbundenen Herausforderungen gegenüber aufgeschlossen und bereit, auch bislang unbekannte digitale Werkzeuge auszuprobieren und die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Es gibt aber auch Lehrer*innen, die sich gegenwärtig stärker zeitlich gefordert und belastet fühlen, insbesondere, wenn sie nicht über die notwendigen Voraussetzungen für die digitale Distanzbetreuung (Kompetenzen, Technik und Software) verfügen.
- Für den Neustart an den Schulen stehen nun Wünsche nach dem weiteren raschen und systematischen Ausbau der Digitalisierung an den Schulen und nach schulinternen Fortbildungen im Vordergrund. Zu klären wären dabei auch unmittelbare Fragen nach Prüfungen und Notenvergabe. Konkrete Unterstützung wünschen sich die Lehrer* innen im Hinblick auf die Gestaltung eines hygienischen Arbeitsablaufs und bei der Infektionsvermeidung. Besonders wichtig erscheint, den Neustart so zu gestalten, dass in den Kollegien eine Aufarbeitung der Erfahrungen in Bezug auf Gewinne und Verluste während der Distanzphase stattfinden kann.
Bärbel Kracke und Benjamin Dreer: „Die hohe Zahl der Teilnehmer*innen an unserer Studie zeigt aus unserer Sicht ein großes Bedürfnis unter den Thüringer Lehrer*innen sich zur gegenwärtigen Situation zu äußern und sich produktiv in den Diskurs einzubringen“.
Hintergrund der Studie:
Die Initiative ist angedockt an ein durch das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG) an beiden Hochschulen gefördertes Projekt zur Digitalisierung in der Lehrerbildung. Als weitere Partnerin ist die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Thüringen an Bord, die die Initiative mit fachlicher Expertise und ihrem Netzwerk unterstützt.
Studie: Wie geht es Thüringens Lehrerinnen und Lehrern während der Schulschließungen?
Weitere Informationen / Kontakt:
Dr. Benjamin Dreer
E-Mail: benjamin.dreer@uni-erfurt.de
Prof. Dr. Bärbel Kracke
E-Mail: baerbel.kracke@uni-jena.de