Neues Buch über die Zukunft der Kirche in Deutschland: „Synodaler Weg – Letzte Chance?“

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Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland dient seit dem 1. Advent 2019 der Suche nach Schritten der Erneuerung und der Rückgewinnung von Vertrauen nach den Missbrauchsfällen. Michaela Labudda und Marcus Leitschuh, beide Mitglieder der Vollversammlung des Synodalen Weges, haben jetzt ein Buch mit Stimmen aus und über den Synodalen Weg und zur Zukunft der Kirche herausgegeben. „Synodaler Weg – Letzte Chance? Standpunkte zur Zukunft der katholischen Kirche“ ist am 15. Januar im Bonifatius Verlag erschienen – pünktlich zur eigentlich geplanten dritten Vollversammlung des Synodalen Weges und dem jetzt geplanten „Digitalen Zwischenschritt“ am 4./5. Februar 2021. Unter den Autor*innen sind neben Reinhard Kardinal Marx, Bischof Felix Genn, Bischof Gregor Maria Hanke und Erzbischof Hans-Josef Becker auch Franziska Kleiner, Absolventin der Katholisch-Theologischen Fakultät, und Julia Knop, Professorin für Dogmatik an der Universität Erfurt.

In dem Buch ermöglichen Mitglieder der Vollversammlung des Synodalen Weges und von „vor der Tür“ Einblicke in den Maschinenraum dieses Reformprozesses. Dabei kommen vielfältige Stimmen zu Wort. Der Erscheinungstermin des Buches zur geplanten „Halbzeit“ des Synodalen Weges ist bewusst gewählt. Michaela Labudda: „Uns als Herausgebenden ist wichtig, den Weg vor etwaigen Beschlüssen transparenter werden zu lassen.“ Ihre Beobachtung sei, dass sich in der Kirche und beim Synodalen Weg nicht zwei Blöcke gegenüberstehen. „Es gibt freilich medial aufgebauschte Scheinriesen“, sagt Marcus Leitschuh. Deshalb stärke die Veröffentlichung den ehrlichen Dialog und biete Basiswissen zum Mitreden.

Für Leitschuh steht fest: „Der Synodale Weg ist die letzte Chance, ein Signal auszusenden: Kirche ist kein Museumsförderverein. Glaube hat etwas mit dem Hier und Jetzt zu tun, das in ein ‚über uns‘ und ‚mehr als wir‘ geweitet wird. Und vor dem Hintergrund von Missbrauch und Ausgrenzung: Der menschliche Teil der Kirche überhöht sich nicht weiter selbst. Er lernt. Liebt. Gesteht Schuld ein. Ist selbstbewusst genug, Reformen als Chancen zu sehen.“ Synodalität ist für ihn kein „Egotrip“, keine „individuelle Selbsterfahrung“. „Synodalität stellt nicht die eigene Meinung als non-plus-ultra über alles. Synodalität tut Not in einer Zeit der zunehmenden ‚Echokammern‘ und ‚Filterblasen‘, denn in einer immer vielfältiger werdenden Welt, schimmert die Sehnsucht nach einfachen Antworten durch die Luken.“

Michaela Labudda ist während der Arbeit mit den vielfältigen Stimmen klar geworden, „wie reich unsere Kirche durch diejenigen ist, die mitgestalten. Und wie bitter es sich anfühlt, wenn so viele trotzdem gehen. Wir müssen noch viel mehr verstehen, dass unsere Kirche aus all diesen Mitgestaltenden besteht. Das wird zumindest in Deutschland auch von Bischöfen wertgeschätzt.“ Aus ihrer Sicht ist das Buch für alle Menschen wichtig, um „Argumente für eine Hoffnung zu sammeln, oder um zu verstehen, warum andere diese haben. „Die Beiträge des Buches erklären manche Verzögerung, manches Drängen und manche zu ergründende geistliche Haltung“, sagt Labudda.

Prof. Dr. Julia Knaop

Prof. Julia Knop hält es für nicht unrealistisch, aber auch tragisch, dass es die letzte Chance einer Institution sein könne, „deren Verantwortliche sich am Leben von Schutzbefohlenen versündigt, ihre Würde gebrochen, das Vertrauen der Gläubigen missbraucht und ihnen ihre kirchliche Heimat genommen haben, alles daran zu setzen, wieder satisfaktionsfähig zu werden.“

Für Kardinal Reinhard Marx war und ist der Synodale Weg dagegen keine letzte Chance. „Ich glaube vielmehr, dass dieser Weg eine entscheidende Chance sein kann in der Neubestimmung der Sendung der Kirche in unserer Zeit. Letztlich geht es darum, von Gott so zu sprechen und glaubwürdig so zu handeln, dass das Evangelium ausstrahlen kann und die Menschen darin für ihr Leben einen echten „Mehr-Wert“ erfahren können“, sagt Marx in seinem Buchbeitrag. „Es geht doch darum, dass im Synodalen Weg das jeweils Beste zum Vorschein gebracht wird, und zwar nicht mit dem Ziel der Konfrontation, der Abgrenzung von Positionen und Andersdenkenden, sondern mit dem Ziel, Grenzen zu öffnen, Mauern abzutragen und das Verbindende im Glauben zu suchen und zu stärken.“ Ebenso klar ist für Marx, dass es nicht um die Suche nach einfacher Mehrheitsfähigkeit und „billigen oder gar faulen Kompromissen“ geht oder um eine Einigung auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“. Er betont zudem, dass die tiefgreifende Erfahrung und Debatte, die durch die Aufdeckung des Missbrauchs in der katholischen Kirche weltweit ausgelöst wurde, auch seine Sicht auf Kirche und Glauben verändert habe. Marx wörtlich: „Es ist deshalb für mich ein Herzensanliegen, dass diese konkrete Ausgangslage nicht vergessen wird. Wir haben als Kirche, und vor allem als Amtsträger der Kirche, erheblich an Glaubwürdigkeit verloren, die nicht von außen beschädigt wurde, sondern wesentlich durch uns selbst. Eine klare Selbstkritik und die Bereitschaft zur Umkehr gehören deshalb unbedingt zum gemeinsamen Weg und zur notwendigen Erneuerung der Kirche, die Voraussetzung einer fruchtbaren Evangelisierung ist.“

Es sind besonders die Texte der jungen Christinnen und Christen, die in „Synodaler Weg – Letzte Chance?“ begeistern. So auch von Lukas Färber (22) und Finja Weber (20) in ihrem Zukunftsbild: „Stell dir vor, es gäbe eine Kirche, die moderne wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen als Bereicherung sähe. Die sich nicht aus Angst und Starrsinn davor verschlösse, sondern ihren Glauben an diesen neuen Perspektiven wachsen ließe! Stell dir vor, es gäbe eine Kirche, die die Sprache der Menschen spräche. Die sich nicht in lateinischen Phrasen, wissenschaftlichen Ausführungen und salbungsvollem Gerede verlöre, sondern mit ihrer Sprache alle Menschen erreichen würde. Egal ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, ob Theolog*innen oder Handwerker*innen – jede*r fühlte sich in dieser Kirche angesprochen.“

Michaela Labudda und  Marcus Leitschuh (Hrsg.)
Synodaler Weg – letzte Chance?
Bonifatius Verlag 2021
ISBN 978-389710-873-8
18,90 EUR