Sechs Jahre nach der Pariser Klimakonferenz – und damit pandemiebedingt um ein Jahr verspätet – stand bei der COP26 in Glasgow nun endlich das sogenannte „Updating“ der nationalen Klimaziele der teilnehmenden Länder auf dem Programm. Begleitet von Hoffnung und Protesten der Klimaschützer bilanzierten die Staaten ihre bisherigen Klimaschutz-Maßnahmen und berieten sich über das weitere Vorgehen im Kampf gegen den Klimawandel und die Erderwärmung. Wie schon 2015 haben sich viele mehr erwartet, aber die Ergebnisse geben auch Anlass, positiv nach vorn zu schauen. „WortMelder“ hat bei Andreas Goldthau, Inhaber der Franz Haniel Professur für Public Policy an der Willy Brandt School of Public Policy der Uni Erfurt und Experte für die globale Energiewende, nachgefragt: „Was sind die wichtigsten Ergebnisse der COP26 und inwiefern können sie optimistisch stimmen, Professor Goldthau?"
„Alok Sharma, der Vorsitzende der gerade zu Ende gegangenen COP26-Klimakonferenz in Glasgow, fasste das Ergebnis prägnant zusammen: Das 1,5 Grad-Ziel wurde am Leben gehalten. Über zwei Wochen hatten etwa 30.000 Delegierte aus fast 200 Ländern verhandelt. Am Ende stand der ‚Glasgow-Klimapakt‘ – kein perfektes Abkommen, aber eines das wichtige Weichenstellungen in der globalen Klimapolitik vornimmt.
Was wurde erreicht? Zum einen haben die Staaten über ihre Selbstverpflichtungen die geplanten Emissionen näher an das Ziel des Pariser Abkommens von 2015 gerückt. Statt eines Pfades gegen 2,7 Grad – der Stand der Dinge noch vor der CO26 – entwickelt sich die Erderwärmung nun eher in Richtung plus 2,4 Grad verglichen mit dem Vorindustriezeitalter. Das ist immer noch weit von den ‚deutlich unter zwei Grad‘, die Paris als Zielmarke vorgibt. Und auch nur, wenn alle Staaten auch wirklich das umsetzen, was die versprochen haben. Mit Blick auf eine zweite Neuerung allerdings besteht Grund zu Optimismus: Ab jetzt werden die Staaten jährlich ihre nationalen Klimapläne und Emissionsziele überarbeiten, statt wie bisher nur alle fünf Jahre. Bereits in Ägypten, zur COP27, können also weltweit Ambitionsziele weiter nach oben geschraubt werden. Dazu wurde das sogenannte Regelwerk verabschiedet, welches das Pariser Abkommen in nachvollziehbare und transparente Prozesse übersetzt, und um eine Komponente ergänzt, die nun den weltweiten Handel mit CO2-Emissionsreduktionen ermöglichen soll. Auch dies ist ein Fortschritt.
Am wichtigsten jedoch ist die Tatsache, dass in Glasgow zum ersten Mal der Hauptschuldige für den globalen Klimawandel benannt wird: die Kohle. Der Energieträger ist nicht nur am schmutzigsten, gemessen an seinen CO2-Emissionen. Er ist zudem weltweit weiterhin auf dem Vormarsch, allen Anstrengungen zum Trotz. Glasgow könnte hier ein Umdenken einleiten. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass etwa 40 Prozent der weltweit laufenden Kohlekraftwerke bis 2030 abgeschaltet werden müssen, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Neue dürfen nicht mehr gebaut werden. Dies ist angesichts des enormen wirtschaftlichen Nachholbedarfes der Schwellenländer ein sehr hoch gestecktes Ziel. Umso bemerkenswerter ist daher, dass angesichts des Einstimmigkeitsprinzips die Notwendigkeit einer Reduktion von fossilen Energieträgern Eingang in die Abschlusserklärung gefunden hat.
Bei der Kohlefrage jedoch offenbart sich auch gleichzeitig ein klarer Riss, der durch die COP26 ging. Denn statt den Kohleausstieg in den Blick zu nehmen, insistierten Indien und China auf ein ‚Herunterfahren‘ der Kohlenutzung. Beide Länder nehmen also für sich – und andere Nicht-Industrieländer – das Recht in Anspruch, Kohle weiterhin nutzen zu können. Ihr Argument ist, dass die historischen Emissionen, und damit der Klimawandel, von den Industrieländern verursacht wurden, die Kosten der Anpassung jedoch bei den Staaten liegen, welche die Industrialisierung noch vor sich haben. Den reichen Staaten werfen sie vor, sich nicht ausreichend an einer Kompensation dieser Kosten zu beteiligen.
In der Tat ist der Klimafonds, der Entwicklungsländern jährlich in Höhe von 100 Milliarden zur Verfügung stehen konnte, nicht ausreichend gefüllt. Dass die Industrieländer dies nun verlässlich zugesagt haben, ist löblich, geht aber nicht über den Status Quo hinaus. Auch die Ankündigung der OECD-Welt, Anpassungsleistungen an den Klimawandel im Globalen Süden in doppelter Höhe wie bisher zu unterstützen, bleibt angesichts der bisherigen Erfahrungen bei der Nord-Süd Klimafinanzierung vor allem eines: eine Ankündigung. Dass Deutschland in Glasgow mit zehn Millionen Euro an zusätzlicher Unterstützung vorangeht, kann höchstens der Anfang sein.
An der Formulierung zur Kohle wäre der Glasgow-Klimapakt fast in letzter Minute gescheitert. Der tiefer liegende Konflikt ist jedoch ein fundamentaler. Denn Entwicklungsländer werden weitere Schritte nur gehen, wenn sie dazu von den entwickelten Ländern ausreichend unterstützt werden – vor allem im viel diskutierten Themenfeld Klimaschäden und -verluste. Dies wird ein zentraler Punkt zukünftiger Klimakonferenzen sein – und mit darüber entscheiden, ob es gelingt, das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Denn trotz aller positiven Signale, die letzten Endes von Glasgow ausgegangen sind: Aus der Klima-Gefahrenzone ist die Welt noch lange nicht.“
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