Nachgefragt: "Was hat der Hase mit Ostern zu tun, Herr Prof. Kranemann?"

Gastbeiträge

Schokoladenhasen bevölkern bereits seit Wochen die Regale der Supermärkte, in vielen Vorgärten sieht man Sträucher mit farbigen Eiern dekoriert, und wer seine Ostereier noch selber färben möchte, dem wird beim Kauf des Färbemittels ein österlicher „Farbrausch“ versprochen. Ostern, ein Eier- und Hasenfest? Die Geschichte ist komplizierter. Deshalb haben wir nachgefragt – bei Prof. Dr. Benedikt Kranemann von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Erfurt…

Prof. Dr. Benedikt Kranemann
Benedikt Kranemann

„Am Anfang aller Bräuche steht das christliche Osterfest, das die Überwindung des Todes in der Auferstehung Jesu Christi feiert. Der Tod wird überwunden, neues Leben bricht sich Bahn. An Ostern wird das gefeiert, indem man biblische Texte liest, Lieder singt, Gebete spricht. Feste verlangen aber auch nach Zeichen und Lebensfreude, wollen nicht zuletzt „geschmeckt“ werden. Eines der Zeichen für Ostern ist das Ei geworden, ein altes Lebenssymbol. Es steht für Fruchtbarkeit und neues Leben. Als eine Speise, die weltweit bekannt ist und in ihrer Natursymbolik unmittelbar spricht, verbreitete sich das Osterei als Zeichen für Auferstehung und neues Leben in vielen Kulturen.

Es mag besonders gut zur Osterbotschaft, zum Zerbrechen des Todes passen, dass für das Essen des Eies etwas zerbrochen werden muss, nämlich die Eischale. Daraus hat sich viel später ein Brauch entwickelt, das „Eiertitschen“. Rundum am Tisch schlug man die Eier leicht aneinander. Wessen Osterei die Prozedur überstand, war Sieger.

Über lange Jahrhunderte verlangten die Menschen an Ostern geradezu nach diesem Lebensmittel. Nach einer intensiven und oft als hart empfundenen Fastenzeit, in der u.a. auf Fleisch, Milch, Butter, Käse und eben auch Eierspeisen verzichtet werden sollte, wollte man diese jetzt wieder essen können. Zuvor wurden die Speisen aber – werden sie zum Teil heute noch – an Ostern gesegnet.

Man beschenkte sich auch mit Ostereiern, man versteckte Eier und suchte sie. Im Hintergrund steht, dass an Ostern ein Naturalzins fällig wurde. Man bezahlte ihn dem Grundherren u.a. in Form von Eiern, denn nach der 40-tägigen Fastenzeit waren Eier zur Genüge vorhanden.

Vor allem entwickelte man raffinierte Techniken, die Eier zu schmücken. Bereits aus dem Mittelalter ist die Rotfärbung von Eiern überliefert. Manche sehen in dieser Farbe einen Hinweis auf das Leiden Christi und liturgische Farben, andere vertreten die Ansicht, die Farbe habe vielleicht allein zur Markierung der geweihten Eier gedient. Später bemalte man die Eier, ätzte oder ritzte in einen Farbüberzug Motive hinein. Auch solches Kunsthandwerk gibt es bis heute, wie beispielsweise die sorbischen Ostereier mit ihren symmetrischen Mustern zeigen.

Wie kommt nun der Osterhase ins Fest? Aufgrund seiner Fruchtbarkeit konnte man dieses Tier mit dem Ei in Verbindung bringen. Dem Hasen wurde außerdem nachgesagt, er schlafe nicht, weil er keine Augenlider hat. Das wiederum las man auf Jesus Christus hin, der im Tod nicht entschlafen ist. Wenn zu Ostern der Naturalzins fällig wurde, übergab man auch Hasen. Das mag im 17. Jahrhundert, aus dem die ersten Belege stammen, die Vorstellung des „Osterhasen“, der die Eier bringt, befördert haben. Nicht durch Zufall ist dies übrigens zunächst im städtischen Bürgertum populär geworden; auf dem Land wusste man, ‚wie der Hase läuft‘. In verschiedener Form, u.a. in Gebildbroten, die Hasen zeigten und in die Eier eingebacken waren, machte die Vorstellung des Osterhasen als des Eierbringers Karriere. Hier mögen auch konfessionelle Unterschiede eine Rolle gespielt haben. Protestanten lehnten die katholischen Fastenübungen ab, hatten von daher auch mit Ostereiern Probleme. Der Osterhase wiederum wurde zunächst unter Protestanten populär, aber von Katholiken kritisch beäugt. Richtig gefördert wurde der Osterhase im 19. Jahrhundert durch die Süßwarenindustrie, die das ‚Festtier‘ als lukratives Geschäft entdeckte. Damit hatte man dann konfessionsübergreifend Erfolg. Da spielte allerdings die Religion dann wirklich keine Rolle mehr, der es in Kern immer noch um die alte Osterbotschaft geht.“