Nachgefragt: „Was hat Asterix für die Präsenz der Antike in unserer heutigen Gesellschaft geleistet, Herr Prof. Brodersen?“

Gastbeiträge
Prof. Dr. Kai Brodersen

Gallien trauert und mit ihm die gesamte Comic-Welt. Und kondoliert zum Tod von Asterix-Zeichner Albert Uderzo, der jetzt im Alter von 92 Jahren in Neuilly, einem Vorort von Paris, gestorben ist. „WortMelder“ hat bei Kai Brodersen, Professor für Antike Kultur an der Universität Erfurt, nachgefragt: „Was hat Asterix für die Präsenz der Antike in unserer heutigen Gesellschaft geleistet, Herr Professor Brodersen?“

„’Wir schreiben das Jahr 50 vor Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten…` Diese Worte hat wohl jede oder jeder von uns schon einmal gehört oder gelesen. Wir verdanken sie René Goscinny (1926-1977) und die Bilder dazu Albert Uderzo (*1927), der nun hochbetagt verstorben ist. Asterix (*1959) freilich ist unsterblich.

Die Asterix-Comics haben auch unser Bild von der Antike geprägt. Ich nehme mich da selbst nicht aus: Als ich 1968 aufs Gymnasium kam, war gerade das erste Asterix-Heft in der kongenialen Übersetzung von Gudrun Penndorf zu haben, viele weitere Hefte haben meine Schul- und Studienzeit begleitet – die Universitätsbibliothek in Erfurt verzeichnet heute in ihrem Katalog 3 der inzwischen 38 Hefte. Zunächst waren Comics in der Schule offiziell verpönt; getauscht wurden sie in der Pause, im Unterricht kam Asterix nicht vor. Das änderte sich nur langsam – das erste lateinische Asterix-Heft kam in meinem Abijahr 1977 heraus. Und als ich 2001 das Buch ‚Asterix und seine Zeit: Die große Welt des kleinen Galliers‘ herausgab und dafür Kolleginnen und Kollegen aus dem Fach um Beiträge bat, wollten manche weiterhin nichts mit Asterix zu tun haben, andere zwar ‚grundsätzlich‘ etwas schreiben, doch hatten sie ‚keinen Zugang‘ zu den Heften. Wieder andere erinnerten sich, früher die Hefte gelesen zu haben, fanden sie aber nicht mehr oder hatten sie ihren Kindern weitergegeben. Doch manche standen zu Asterix und verfassten schöne Beiträge über das von unbeugsamen Galliern bevölkerte Dorf und ihre Welt.

Gerade diese Rezeption von Asterix aber, die außerhalb des Klassenzimmers und des Hörsaals stattgefunden hat, dürfte entscheidend dazu beigetragen haben, Wissen um die römische Antike auch in Bereichen zu vermitteln, die Schule und Universität nicht erreichen. Natürlich gibt es ‚Fehler‘ in dem vermittelten Geschichtsbild. ‚Asterix bei den Briten‘ besispielsweise setzt eine römische Präsenz auf der Insel zu einer Zeit voraus, die drei Generation vor der tatsächlichen Eroberung Britanniens liegt. Aber darum geht es auch gar nicht. Wir haben es mit einer vielfach gebrochenen Form von Geschichtsdarstellung zu tun, die sich oft direkt und in Text- und Bildanspielungen auf heute vergessene Persönlichkeiten im Frankreich des späteren 20. Jahrhunderts bezieht. Aber wir haben es eben auch mit einem Comic zu tun, der erstaunlich gut recherchiert ist, was die antiken Wirklichkeiten angeht, und letztlich das erfüllt, was wir als Althistorikerinnen und -historiker immer tun müssen: antike Wirklichkeiten für eine Gegenwart so zu vermitteln, dass sie auch verstanden werden.

Das Faszinierende an den Asterix-Heften ist dabei, dass sie unterschiedliche Leseerlebnisse ermöglichen, die in unterschiedlichen Generationen jeweils für sich wieder Spaß machen. Sie können sich an einem Asterix-Heft freuen, ohne zu verstehen, was jetzt witzig daran ist, dass Caesar dieses oder jenes sagt oder dass dieser oder jener französische Politiker vorkommt. Sie können sich dann noch mal zehn Jahre später darüber freuen, wenn Sie das dann doch verstanden haben. Und Sie können sich als Historikerin und Historiker auch an bewussten Geschichtsklitterungen freuen, etwa wenn in einem Heft der Stall von Bethlehem vorkommt, der, wie man dann sich klar macht, 50 vor Christus, in dem Jahr, in dem die Asterix-Hefte spielen, natürlich noch nicht mit einem Kind in einer Krippe belegt gewesen sein kann. Vor allem aber können Sie sich im Alter von zehn Jahren ebenso wie später im Leben über pfiffige Helden und witzige Antihelden freuen, über gut ausgedachte und geschriebene Geschichte und über Illustrationen, die beispielsweise unser heutiges Bild der Gestalt Caesars vielleicht mehr geprägt haben als antike Statuen. Das verdanken wir vielen am Erfolg der Hefte Beteiligten, vor allem aber René Goscinny und Albert Uderzo!“