Fachleute aus Wissenschaft, Journalismus, Kommunen und Nichtregierungsorganisationen fordern einen Kurswechsel in der Kommunikation über Klimathemen. Anlässlich des K3-Kongresses zur Klimakommunikation mit rund 370 Teilnehmenden in Graz wurde in diesen Tagen ein entsprechender Aufruf veröffentlicht. Eine der ersten, die unterzeichnet hat, ist Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation und Direktorin des Institute for Planetary Health Behaviour an der Universität Erfurt. „WortMelder“ hat mir ihr darüber gesprochen…
Frau Prof. Betsch, was genau ist das Hauptanliegen der Charta?
Den Unterzeichnenden geht es darum, Leitlinien für eine neue Klimakommunikation zu definieren. Sie sollte Menschen aktivieren, sie zum Handeln motivieren. Ziel ist es, Veränderungen sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf persönlicher Ebene zu erzielen.
An wen richtet sich die Grazer Charta konkret?
Sie möchte insbesondere Institutionen und Menschen erreichen, die beruflich oder aus gesellschaftlichem Engagement über Klimakrise und Klimaschutz kommunizieren. Vor diesem Hintergrund ist sie als Orientierung für die klimapolitische Debatte gedacht. Wir bekommen ja auch viele Anfragen zu Klimakommunikation und freuen uns, dass jetzt eine Art Wegweiser einer „guten fachlichen Praxis“ in der praktischen Kommunikation verfügbar ist – also für die Arbeit von Klimaschutzbeauftragten in Kommunen ebenso wie für Fachleute aus der Klimaforschung, für Verkehrsexpert*innen oder Installateur*innen, die mit ihren Kunden über neue Heizungen sprechen, – also eigentlich für uns alle!
Nun ist ja Klimaschutz tatsächlich etwas, das uns alle betrifft. Man sollte also annehmen, dass das eine Selbstverständlichkeit ist. Gleichwohl entsteht gerade angesichts der politischen Lage in Deutschland und auch international der Eindruck, dass das Thema in den Hintergrund gerückt ist. Die Fridays-for-Future-Demos sind weitestgehend Geschichte, die Grünen können ihre Politik offenbar nicht mehr an die Wählerinnen und Wähler vermitteln – zumindest wenn man sich aktuelle Wahlumfragen oder -ergebnisse anschaut. Steckt die Klimadebatte in der Sackgasse?
Sicher brauchen wir wieder mehr politische Aufmerksamkeit auf das Thema. Auch Wissenschaftler*innen sind besorgt, dass der Rechtsruck deutliche Rückschritte auch für Klimaschutz bedeuten kann. Aber wenn es insgesamt eine Bewegung zu mehr konservativer Politik gibt, dann bietet das vielleicht auch Chancen, neu über Klima und die Bewahrung der Schöpfung zu reden – gibt es etwas Konservativeres, als die Mutter zu schützen, von der wir leben? Eine große internationale Studie hat gezeigt, dass die große Mehrheit deutlich mehr Klimaschutz von ihren Regierungen will. Vielleicht ist das auch für konservative Regierungen ein gutes Sprungbrett. Wichtig ist, aus den Erfahrungen der vergangenen Legislatur und der vergangenen Regierungen zu lernen: Wie sind beste Intentionen in die Sackgasse geraten? Wie kann man das beim nächsten Mal besser machen? Dazu gehören sicher die Ausgestaltung von Gesetzen und Maßnahmen selbst, aber eben auch die Kommunikation ringsum.
Was kann Kommunikation hier nun leisten?
Wir haben uns in Graz darüber intensiv ausgetauscht. Und wir haben den Eindruck gewonnen, dass viele Menschen das Reden über Klimaschutz als polarisierend erleben. Bisherige Aufrufe zum Handeln haben oftmals ihre Wirkung verfehlt. Das heißt konkret, dass es zu kurz greift, in immer drastischerer Form vor den bedrohlichen Veränderungen des Klimasystems zu warnen – auch wenn die Warnenden vielleicht selbst Angst verspüren. Zu häufig lähmt, verunsichert und polarisiert solche Kommunikation, insbesondere, wenn sie Probleme und Risiken nur benennt, ohne Lösungen und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Und mit Blick auf die Lösungen gibt’s häufig die perfektionistische Vorstellung, dass Klimaschutz nur dann möglich ist, wenn man widerspruchsfreie Lösungen findet. Dabei gibt es zuhauf Widersprüche, denken wir an Klimaanlagen gegen Hitzekoller und die damit verbundene Klimabelastung oder dem Ruf nach mehr Wasserflächen in Städten und die neuen Mückenarten, die dank höherer Temperaturen bei uns überleben können und sich über das Wasser in Städten freuen – und tropische Krankheiten verbreiten. Diese Widersprüche müssen wir aushalten und Kompromisse finden. Wir müssen also, und darin waren sich die Kolleg*innen in Graz weitestgehend einig, wegkommen vom Angstmodus in der Kommunikation. Das gilt auch für die Klimapolitik. Statt den Menschen mit einer 5-vor-12-Rhetorik Angst zu machen, sollten wir den Fokus der Kommunikation lieber auf mögliche Lösungen richten.
Wie kann das aussehen, können sie das konkretisieren?
In unseren Studien finden wir aktuell, dass über die Hälfte der Befragten denken, dass die Zukunft schlechter wird. Ich wünsche mir, dass die Kommunikation Menschen wieder aktiviert, über verschiedene mögliche Zukünfte nachzudenken, dass wir verhandeln, wo und wie wir dort ankommen wollen und wie wir dafür sorgen können, dass Menschen keine Angst haben müssen, auf der Verliererseite zu stehen.
Klimahandeln und Klimaschutzmaßnahmen sind Themen, mit denen Sie sich am Institute for Planetary Health Behaviour zusammen mit Ihren Kolleg*innen intensiv auseinandersetzen. Welchen Beitrag kann die Forschung im Sinne der Grazer Charta hier leisten?
In unserer Planetary Health Action Survey (PACE Studie) untersuchen wir fortlaufend, was die Handlungsbereitschaft gegen die Klimakrise beeinflusst. In anderen Projekten schauen wir darauf, wie man wissenschaftliche Unsicherheit – und davon gibt’s in der Klimaforschung wie überall reichlich – so kommuniziert, dass sie nicht noch mehr verunsichert oder wie man klimagesunde Ernährungsweisen gut und einfach kommuniziert. Die Ergebnisse geben wir auch in Richtung Politik und Verwaltung und führen Fortbildungen durch, z.B. bei Kommunen. Es ist wichtig, erstmal ein Verständnis des Verhaltens zu entwickeln, das man ändern möchte. So kann man die Kommunikation besser auf bestimmte Zielgruppen ausrichten und weiß, was man wie verpacken sollte, um die Handlungsbereitschaft zu unterstützen. Natürlich ist das keine manipulative „Wunderpille“, soll es auch nicht sein. Aber es kann helfen, Kommunikation strategisch auszurichten und sich vorher klarzumachen, was Ablehnung hervorrufen kann. Wir erhalten immer wieder das Feedback, dass diese Erkenntnisse hilfreich sind. Außerdem nehmen wir aktuelle Themen auf, wie z.B. die Zukunftsklage von Greenpeace. Denn die politische Teilhabe ist ein wichtiger und vielleicht noch etwas unterentwickelter Aspekt beim eigenen Klimahandeln. Die Grazer Charta spricht uns im Team sehr aus dem Herzen und wir hoffen, dass viele sich ihrer bedienen und unterm Strich Klimakommunikation besser und aktivierender wird.