Nachgefragt: Gibt es nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd die Chance auf Veränderungen in den USA, Herr Prof. Martschukat?

Gastbeiträge

Die Geschichte des bei einem Polizeieinsatz getöteten Afroamerikaners George Floyd bewegt Menschen auf der ganzen Welt dazu, auf die Straße zu gehen und gegen den „strukturellen Rassismus“ in den USA zu demonstrieren. Aus Wut ist ein Aufstand geworden, den US-Präsident Donald Trump nicht mehr aus der Welt „twittern“ kann. Amerika scheint zerrissen. Bieten die aktuellen Ereignisse eine Chance auf strukturelle Veränderungen in den USA? „WortMelder“ hat bei Jürgen Martschukat, Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt, nachgefragt…

Prof. Dr. Jürgen Martschukat
Prof. Dr. Jürgen Martschukat

"Der Rassismus ist tief in der US-amerikanischen Geschichte und Gesellschaft verwurzelt. Die Spuren der Polizeigewalt (lesen Sie das Buch unseres Kollegen Silvan Niedermeier zur Polizeifolter im 20. Jh.!), der ungleichen Eigentumsverteilung und Lebenschancen führen Jahrhunderte zurück. Dies zu betonen, heißt nicht zu sagen, dass sich nichts ändern könnte. Die verschiedenen Bürgerrechtsbewegungen in der Geschichte haben ja gezeigt, dass Veränderungen möglich sind - trotz und gegen alle Beharrlichkeit der rassistischen Muster. Zuletzt hatte die Obama-Regierung im Jahr 2015 zum Beispiel eine Task Force on 21st Century Policing eingerichtet und eine Reform der Polizei angestoßen. Um das zu erreichen, müssen Politik, Polizei und verschiedene Betroffene auf nationaler und lokaler Ebene zusammenarbeiten. Das ist kompliziert, langwierig, fordert viel Koordination und einen langen Atem und ist unter der Trump-Regierung nicht fortgeführt worden. Wen wundert’s? Nun scheint sich ja zumindest vereinzelt und (noch) auf eher lokaler Ebene anzudeuten, dass es eine Einsicht in die Notwendigkeit gibt, die Polizeiarbeit zu reformieren, Wenn das eine Folge der aktuellen Proteste im ganzen Land wäre, dann wäre das schon mal ein wichtiger Schritt und ein großer Erfolg."