Für die renommierte amerikanische Fachzeitschrift „Archaeology“ ist es eine der bedeutendsten Entdeckungen im Jahr 2022: Dr. Elisa Iori ist Junior-Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Uni Erfurt und entdeckte als stellvertretende Leiterin einer italienischen Archäologie-Mission der International Association for Mediterranean and Oriental Studies (ISMEO) in Pakistan einen der bisher ältesten buddhistischen Tempel der Welt.
"Von vorangegangen Untersuchungen wussten wir vom archäologischen Potenzial dieser Gegend. Als wir dann die ersten Steine und Strukturen freilegten, war uns die Bedeutung des Fundes sofort bewusst“, erzählt Dr. Elisa Iori vom ersten Moment ihrer Entdeckung. Gemeinsamen mit ihren Kolleg*innen der Ca'Foscari Universität Venedig sowie der ISMEO-Italian-Archaelogical Mission in Pakistan erforscht die Erfurter Wissenschaftlerin die antike Stadt Barikot in der Region Swat, die zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 13. Jahrhundert n. Chr. als eines der bedeutendsten religiösen und soziokulturellen Zentren der Region gilt. Die jüngste Entdeckung der aktuellen Ausgrabungskampagne sorgte nun in Fachkreisen für weltweites Aufsehen. Das Team entdeckte den bis dato ältesten buddhistischen Tempel der Region und damit einen der ältesten weltweit. Datiert wird er auf die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr., wie eine aktuelle Radiokarbondatierung ergab. Somit stammt der Tempel aus der Maurya-Periode.
Zu den bisher ausgegrabenen baulichen Überresten gehört ein buddhistischer Apsidenbau, der von einem gewölbten Korridor umgeben ist, auf dem ein kreisförmiger Schrein errichtet wurde. Das Team hat darüber hinaus auch buddhistische Skulpturen und Inschriften gefunden. „Die Entdeckung dieses Apsidentempels belegt erstmals die Existenz einer typisch indischen Sakralarchitektur an der indisch-iranischen Grenze seit dem 3. Jahrhundert v. Chr.“, unterstreicht Elisa Iori. Über deren Funktion werde aber noch immer diskutiert. „Unser Fund gibt uns nun die Möglichkeit, erstmals darüber Aufschluss zu erlangen“, sagt Iori weiter. Hauptziel der Forschung sei es nun, in einer Langzeitperspektive die Muster des Wandels in der religiösen und urbanen Umgebung der nordwestlichen Region Südasiens zu untersuchen und damit einige der wichtigsten Lücken in der historischen Rekonstruktion zu schließen, insbesondere im Hinblick auf buddhistische Praktiken und Räume im urbanen Kontext.
„Die Ausgrabungen rund um Barikot konnten bereits viele Fragen, die mit antiken Stadtgesellschaften im Nordwesten Südasiens zusammenhängen, beantworten. Die neuesten Entdeckungen geben nun Anlass, unsere Untersuchungen fortzusetzen“, freut sich Iori. Neben den Gebäudeteilen wurden außerdem 2109 Objekte dokumentiert und inventarisiert, darunter Töpferwaren, Münzen, Inschriften, Stein- und Stuckskulpturen, Terrakotta-Objekte, Siegel und Schmuck.
Die Barikot-Ausgrabungen sind eine Art Lehrausgrabung von zahlreichen Doktoranden*innen unter anderem aus Peschawar, Islamabad, Neapel, Venedig, Padua, Wien und Toronto. Auch Elisa Iori war Teil davon, bevor sie 2020 stellvertretende Leiterin des Projekts wurde. Die Daten und Erkenntnisse, die aus den Ausgrabungen gewonnen wurden, werden von ihr in einem Habilitationsprojekt am Max-Weber-Kolleg an der Universität Erfurt ausgewertet. Iori stammt aus Italien und studierte Südasiatische Archäologie an der Universität La Sapienza in Rom. 2018 wurde sie an der Universität Bologna promoviert. Im Anschluss arbeitete sie am Instituto per l’Oriente (IPO) sowie in beratender Funktion für ein UNESCO-Projekt in Afghanistan. Seit 2019 lebt und arbeitet sie in Erfurt.