Corona-Pandemie und Klimawandel – wie ticken die Deutschen? Was halten sie von Schutzmaßnahmen und wie stehen sie zum Impfen? Und wie sind ihre Einstellungen zum Klimaschutz? Ein Team um Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt und am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut, untersucht genau diese Fragen – seit gut zwei Jahren im Rahmen der sogenannten COSMO-Studie (Covid-19 Snapshot Monitoring) und nun auch mit dem Planetary Health Action Survey, kurz: PACE. Unterstützt wird ihre Arbeit unter anderem von der Klaus Tschira Stiftung, die im Interview mit Cornelia Betsch über deren Forschungsarbeit sprach...
Frau Professor Betsch, die Corona-Studie in ihrer ursprünglichen Form ging zu Ende, jetzt starteten Sie eine ebenfalls auf zwei Jahre angelegte Studie, mit der Sie die psychische Befindlichkeit der Deutschen im Hinblick auf die Klimakrise erforschen möchten. Wie kam es dazu?
Klimaschutz und dessen Zusammenhang mit unserer Gesundheit bewegte uns bereits vor Corona. Jetzt haben wir gemerkt, dass wir die Art der Daten, wie wir sie bei COSMO erhoben haben, und das, was sie in der Politik ausgelöst haben, mit unserem Interesse für die Klimakrise verknüpfen können. Schon in einer Vorstudie mit dem Bürgerrat Klima konnten wir zeigen, dass Klima- und Umweltschutz längst kein Thema für Nischen mehr ist, sondern dass über alle Parteipräferenzen hinweg die deutliche Mehrheit der Befragten sagt: Es muss etwas geschehen, und zwar mehr! Mit den Erkenntnissen aus unserer neuen Studie wollen wir dabei helfen, Dinge umzusetzen, und wollen transparent machen, wie Menschen sich verhalten, was sie wichtig finden, worauf sie reagieren.
Geht es darum, die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu schließen?
Es gibt verschiedene Ebenen. Seit mehr als 20 Jahren wissen wir sehr viel über den menschengemachten Klimawandel und es ist klar, dass endlich politisch gehandelt werden muss. Aber die Bevölkerung muss auch mitgenommen werden. Dafür müssen wir erfahren, was die Menschen an Wissen haben, was sie gut finden, wo Klippen sind, was sie hindert und welchen Bezug sie zu ihrer eigenen Gesundheit herstellen. Das hat mit Aufklärung zu tun, aber auch damit, wie notwendige Veränderungen vermittelt werden. Aus psychologischer Sicht ist es unter anderem relevant, ob Risiken durch den Klimawandel wahrgenommen werden, ob man das Gefühl hat, etwas dagegen tun zu können, und ob es eine Bereitschaft gibt, sich über das Thema zu informieren und sich dafür einzusetzen oder nicht.
Sie haben explizit gesagt: Wir beraten Politik. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Dadurch, dass wir während der Pandemie unsere Ergebnisse so regelmäßig veröffentlicht haben, sind wir mit Politik auf allen Ebenen in Kontakt gekommen. Mittlerweile sitze ich im Corona-Expertenrat der Bundesregierung. Natürlich sind die Erkenntnisse aus der eigenen Forschung nur ein Baustein dessen, was beachtet werden muss. Aber das schönste Ergebnis von COSMO war, dass viele in der Politik auch für den nächsten Herbst COSMO nicht missen wollten, diese Daten also für die Entscheidungen relevant sind.
Wie wird die nun begonnene Klima-Studie konkret aussehen?
Wir machen einmal im Monat eine kombinierte Datenerhebung, in der wir Antworten zu Corona und Klima zusammen erfassen. Derzeit haben wir als „Scharnierkrise“ auch noch den Ukraine-Konflikt dazu genommen, weil der uns ja ebenfalls alle beschäftigt und auch die Wahrnehmung der anderen beiden Krisen beeinflussen kann. Zusätzlich machen wir Sondererhebungen, beispielsweise gerade eine, in der wir uns mit der ersten frühen Hitzewelle im Juni beschäftigen. Wir befragen immer 1.000 Personen und werten die Ergebnisse im Zeitraum von ein bis zwei Wochen aus. Das Ganze wird dann wieder auf Webseiten für jeden und jede verfügbar sein.
Gibt es schon erste Erkenntnisse?
Ja, die gibt es. Gesundheitsrisiken, die sichtbarer sind, werden eher als Risiko wahrgenommen: Hitze etwa oder Überschwemmungen. Dass mehr Allergene auftreten werden oder die Lebensmittelqualität sinken kann, wird weniger als Risiko wahrgenommen. Eigenes Energiesparverhalten, wie die Heizung herunterzudrehen oder auf das Auto zu verzichten, finden eher aus Kostengründen als aus Gründen des Klimaschutzes statt. Momentan sehen wir nur ganz kleine Zusammenhänge zwischen den erwarteten Teuerungen durch den Ukraine-Krieg und der Zustimmung zum Ausbau alternativer Energien. Den meisten Befragten, 45 Prozent, gehen Klimaschutzmaßnahmen allerdings nicht weit genug, 37 Prozent finden sie angemessen. Die Handlungsbereitschaft wird stark von sozialen Normen beeinflusst – also was andere tun und von mir erwarten. Deshalb ist es auch wichtig, zu wissen, dass viele Leute bereit sind, Maßnahmen mitzutragen.
Welche Unterschiede machen Sie aus zwischen der COSMO- und der Klima-Studie?
Das Informationsverhalten ist sehr unterschiedlich. Im Moment sind die Menschen vor allem durch die Ukraine-Krise bewegt, Corona tritt da in den Hintergrund und die Klimakrise liegt irgendwo dazwischen. Ich bin gespannt, ob die aktuelle Hitze schon etwas an der Risikowahrnehmung verändert.
Die Klaus Tschira Stiftung ist ein Förderer der Klima-Studie. Wer ist noch mit im Boot?
Von verschiedenen Seiten kam der Wunsch, dass COSMO weitergeht. Wir haben gesagt, dass wir das mit der Klima-Studie kombinieren möchten, weil dabei auch Gesundheit im Fokus steht. Das Robert-Koch-Institut und die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung beteiligen sich, das Bundesministerium für Gesundheit ebenfalls. Dazu kommen noch Eigenmittel der Universität Erfurt und des Bernhard Nocht Instituts. Überdies denken wir gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über eine Internationalisierung des Projekts nach, schließlich betrifft der Klimawandel alle, und manche derzeit schon viel stärker als uns.
Die COSMO-Studie hat Sie auch als Person bekannt gemacht. Wie gehen Sie mit den Schattenseiten dieser Popularität um?
Wir stecken insgesamt, glaube ich, weniger ein als andere Kolleginnen und Kollegen, da wir oft eher als Sprachrohr der Menschen wahrgenommen werden. Aber es gab natürlich schon heftige Beschimpfungen und Bedrohungen, vor allem, wenn es ums Impfen ging. Das ist schon belastend. Aber uns ist sehr wichtig, dass die Verhaltens- und Sozialwissenschaften einen Platz bekommen in dem Wollknäuel, aus dem Maßnahmen und Politik gestrickt wird. Das ist so wichtig: Wir Menschen sind der Wirt des Virus bei der Corona-Pandemie. Und wie wir uns verhalten, so verläuft dann auch die Pandemie. Das ist beim Klima vergleichbar, wenn auch ein wenig schwieriger: Wir brauchen große Veränderungen auf allen Ebenen – und das muss am Ende sozialverträglich umgesetzt werden. Es geht um Bewusstsein und ums Erklären.
Wie gehen Sie selbst mit dem Thema Klima um? Macht Ihnen das Angst oder motiviert es Sie vielmehr, aktiv zu werden?
Es ist schon ein Thema, das mich sehr beunruhigt. Dass endlich etwas getan werden muss, wissen wir schon sehr lange. Da fragt man sich durchaus, ob die Menschheit das schaffen kann. Aber dann packt mich die Arbeitsmotivation und ich versuche, etwas beizutragen, damit es besser wird mit dem Klimaschutz.
Was macht Ihnen Hoffnung?
Dass es sehr viele Leute gibt in unseren Befragungen, die ein hohes Problembewusstsein haben und bereit sind, Dinge zu ändern und auch selbst anzupacken. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass das von Seiten der Politik unterschätzt wird. Wir haben so viel geschafft während Corona, das sollte uns Ansporn sein, jetzt auch die Klimakrise energisch anzugehen.
Wenn es gut läuft, was haben wir dann in zwei Jahren?
Dann haben diese Befunde und Einsichten Eingang in die relevanten Ministerien gefunden. Wir sprechen anders miteinander und es ist eine gelingende Klimakommunikation entstanden.
Wieso ist es wichtig, dass eine Stiftung, die sich eigentlich der Förderung von Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften widmet, so etwas unterstützt?
Die Art der Forschung, die wir machen, dient dem gleichen Ziel. Auch wir sagen, man kann mit Naturwissenschaften die Welt besser machen. Wenn das aber im "stillen Kämmerlein" bleibt, dann haben wir nichts erreicht. Vielleicht sind wir der Dünger, der den Samen der Naturwissenschaft zum Blühen bringt und hilft, die Menschen zu erreichen.
Dieses Interview erschien zuerst bei der Klaus Tschira Stiftung.
Die Stiftung fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein.