Das neue Wissenschaftsjahr des Bundesministeriums für Bildung und Forschung widmet sich 2018 dem Thema „Arbeitswelten der Zukunft“. Es soll „erkunden, welche Chancen sich eröffnen und vor welchen Herausforderungen wir stehen“. Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur suchen gemeinsam nach Antworten auf Fragen zu den Arbeitsplätzen von übermorgen. Auch die Universität Erfurt beteiligt sich mit einer Beitragsreihe wieder am Themenjahr des BMBF und geht dabei aus geisteswissenschaftlicher Sicht der Frage auf den Grund, wie sich zukünftige Arbeitswelten gestalten werden. Welche Ängste bringen Digitalisierung und Robotik mit sich? Wie haben sich Berufe gewandelt, beispielsweise der Lehrerberuf, die Arbeit in Bibliotheken und Archiven oder die Tätigkeit des Forschers selbst? Was ist Arbeit überhaupt, etwa lediglich die Erwerbstätigkeit oder nicht doch alles, was uns im Leben prägt, von familiären und freundschaftlichen Beziehungen bis hin zur Muße? Welche Rolle spielen zukünftig Internationalisierung, Ehrenamt, ständige Leistungssteigerung und Work-Life-Balance? Und wie müssen sich Unternehmen verändern, um zukunftsfähig zu bleiben? Diese und weitere Fragen sollen in der Textreihe „Arbeitswelten der Zukunft – Beiträge der Universität Erfurt zum Wissenschaftsjahr 2018“ diskutiert werden.
Hartmut Rosa ist Direktor des Max-Weber-Kollegs der Universität Erfurt. Er hat zur Beschleunigung der Arbeits- und Lebenswelt gearbeitet. Zuletzt erschien sein Buch „Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“. In Teil neun unserer Beitragsreihe erklärt er u.a., vor welche Herausforderungen das gute Leben mit resonanten Weltbeziehungen in den Arbeitswelten der Zukunft gestellt wird.
Viele Menschen streben nach einem gut bezahlten Job, einem Haus, einer Familie – doch sind diese Dinge Garanten für ein gutes Leben? Ein ordentliches Einkommen, ein Häuschen, Gesundheit und Fitness – dies sind alles letztlich Ressourcen, die ein gutes Leben ermöglichen können, aber keineswegs garantieren. Ein Mensch kann tief deprimiert sein, obwohl er über all das verfügt. Man muss die Frage nach einem gelingenden Leben also anders stellen.
Ich meine, es kommt darauf an, wie jemand mit der Welt verbunden ist. Wir leben in einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen das Gefühl haben, einer stummen, gleichgültigen Welt gegenüberzustehen, und sich unglücklich fühlen. Menschen, die ein gelingendes Leben führen, haben eine lebendige Verbindung etwa zu anderen Menschen, zur Natur, zu ihrer Arbeit. Das Leben gelingt nicht allein, wenn wir reich an Ressourcen und Optionen sind, sondern wenn wir es lieben.
Es geht also darum, von einer Sache oder einer Person bewegt oder berührt zu sein, von ihr angesprochen zu werden, gleichsam einen „Anruf“ zu erfahren. Ich nenne das eine Resonanzbeziehung – ganz wie in der Musik: Etwas schwingt und bringt dadurch etwas Anderes zum Schwingen. Wir brauchen nicht einzelne resonante Oasen, sondern einen resonanten Alltag, auch im Arbeitsalltag. Dieser wird heute in aller Regel von gnadenlosen Steigerungs- und Effizienzzwängen und vom Diktat der Uhr dominiert. Dennoch eröffnen sich auch unter solchen entfremdenden Bedingungen immer wieder Möglichkeiten wenigstens für kurzfristige Resonanzmomente. Ich erlebe das etwa in meiner Arbeit an der Universität – zu sehen, wie Studenten „Feuer fangen“ beispielsweise. Für andere Menschen können das aber auch ganz andere Tätigkeiten sein – Tätigkeiten, in denen sie sich als selbstwirksam erfahren und merken, dass sie etwas bewirken, kreativ sind oder zu einem Erfolg beitragen – sei es der Bau eines Hauses oder die Planung einer Schulstunde. Jede Tätigkeit kann zu Resonanzerfahrungen führen. Dabei haben Resonanzerfahrungen immer eine leibliche Dimension. Daher könnte die zunehmende Digitalisierung in modernen Arbeitswelten zu einer Verkümmerung führen, weil es zunehmend nur noch diesen einen Kanal zur Welt gibt. Bildschirme sind dann so etwas wie Resonanzkiller. Wenn sie in allen Lebensäußerungen zwischen uns und die Welt treten, dann wird es schwer, leibliche Resonanzbeziehungen zu erfahren.
Die neuen Medien verstärken aber auch noch ein anderes Verhalten. Wir haben uns angewöhnt, die Welt nach immer interessanteren Optionen zu scannen. Dahinter steckt die Angst, irgendwo etwas zu verpassen. Das macht es schwierig, sich auf Resonanzbeziehungen einzulassen, denn bei diesen wissen wir nie, wann sie Früchte tragen und was dabei herauskommt. Ihnen eignet ein konstitutives Moment der Unverfügbarkeit. Resonanz setzt nämlich voraus, dass man Aufmerksamkeit fokussiert und alles andere loslässt – nach dem Motto: Ich werde etwas verpassen, aber das ist mir die Sache wert, egal wie lange sie dauert. Für die Arbeitswelten der Zukunft werden wir lernen müssen, bewusst mit neuen Medien umzugehen und nicht alle Optionen offen zu halten, wenn wir ein gutes Leben mit resonanten Weltbeziehungen führen wollen.