Allgemeine Didaktik ist „voll mein Ding“, sagt er von sich selbst. „Perfekt“, sagen wir und begrüßen Thomas Mikhail an der Universität Erfurt, der zum Wintersemester 2024/25 die Professur für „Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik“ an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät übernimmt. In unserem Blog stellen wir ihn einmal näher vor…
Der gebürtige Karlsruher studierte Germanistik und Sportwissenschaft für das gymnasiale Lehramt und hat zudem einen Master in Pädagogik. 2009 wurde er mit einer Arbeit zu „Bilden und Binden. Zur religiösen Grundstruktur pädagogischen Handelns“ promoviert. 2015 folgte die Habilitation unter dem Titel „Pädagogisch handeln. Theorie für die Praxis in Familie und Schule“ – ein Versuch, eine genuin pädagogische Theorie von Unterricht und Erziehung zu begründen, die für die Praxis Orientierung geben kann. 2017 und 2018 hat Thomas Mikhail an der Uni Bonn die Professur für „Allgemeine Didaktik und Theorie der Schule“ vertreten, seit 2021 an der Uni Stuttgart gearbeitet und dort vor allem Vorlesungen und Seminare für Lehramtsstudierende angeboten. Dabei habe er immer auf Themenvielfalt geachtet – grundlegende didaktische Thematiken, aber auch Themen, die aktuell den schulpädagogischen Diskurs bestimmen, und solche, die den Studierenden auf den Nägeln brennen, sagt der 43-Jährige, der gemeinsam mit seinem Doktorvater 2013 ein schulpädagogisches Wörterbuch verfasst hat, das Studierenden, aber auch bereits tätigen Lehrpersonen Handlungsorientierung für die schulische Arbeit bieten soll. „Wenn man sich die rasante Entwicklung von Schule gerade in Zusammenhang mit Digitalisierung anschaut, haben sich während der vergangenen elf Jahre Lücken aufgetan. Die bearbeiten wir gerade, so dass wir guten Mutes sind, 2025 eine überarbeitete Neuauflage präsentieren zu können.“
Und so passen die Aufgabengebiete, die nun in Erfurt auf ihn zukommen, perfekt zu seiner wissenschaftlichen Karriere und seinen Forschungsinteressen: „Derzeit treiben mich vor allem zwei schulpädagogische Themen um: Erstens die Frage, was es für Lehrpersonen heißt, ein Vorbild zu sein und als solches erzieherisch ‚zu wirken‘. Damit in Zusammenhang steht die Frage, wie man empirisch erheben kann, ob eine Lehrperson für Lernende Vorbild ist und wie stark sie ‚wirkt‘. Das scheint mir in der gegenwärtigen Forschung noch nicht gründlich durchdacht zu sein. Die zweite Frage ist beinahe ein Tabuthema in Pädagogik und Erziehungswissenschaft – nämlich, ob es eine pädagogisch begründbare Praxis des Strafens geben kann. Auch wenn man es heute nicht gern zugibt, wenn man das Thema sogar totschweigt, tut man den in der Praxis stehenden Lehrpersonen damit keinen Gefallen, weil das Strafen situativ in der Schule im buchstäblichen Sinne notwendig ist, weil es eben eine Not wendet – sei es, um Schüler*innen vor sich selbst zu schützen, sei es, um andere vor dem bzw. der Schüler*in zu schützen. Nun stellt sich die Frage, wann das notwendig ist und wie man, so seltsam es klingen mag, pädagogisch verantwortungsvoll bestraft, ohne dass Macht missbraucht wird und ohne psychische oder soziale Schäden bei den Lernenden zu verursachen. Das, finde ich, ist eine unheimlich spannende Frage, vielleicht weil das Strafen heute so verpönt und teilweise tabuisiert ist.“
Aktuell arbeitet Thomas Mikhail allerdings an einem Thema, das nichts mit Schulpädagogik oder Didaktik zu tun hat, sondern eher allgemeinpädagogisch ist. „Ich gestehe, dass Immanuel Kant mein ‚Fetisch‘ ist“, sagt er. „Nachdem ich für die Neuedition der Akademieausgabe der Werke Kants dessen Pädagogik-Vorlesung herausgegeben habe, gehe ich zusammen mit drei Kolleginnen und Kollegen der Frage nach, wie diese Schrift weltweit rezipiert wurde. Dabei muss man wissen, dass in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft stellenweise bezweifelt wird, dass es sich um einen authentischen Text Kants handelt, und wenn authentisch, dann wird ihm eine minderwertige Qualität attestiert. In den vergangenen 300 Jahren ist die Pädagogik-Vorlesung jedoch in mehr als 60 Erstausgaben in 18 verschiedenen Sprachen erschienen. Unsere ersten Arbeiten zeigen, dass die ausländischen Herausgeber*innen den Text ganz anders einschätzen und seine Qualität auch anders bewerten. Dem gehen wir derzeit in einem größeren Projekt nach.“
Die Studierenden der Universität Erfurt dürfen sich ab dem Wintersemester auf Vorlesungen zu den Themen „Unterricht planen und gestalten“ und „Erziehung, Klassenführung, Konfliktmanagement“ freuen. „Und in den Praktikumsvorbereitungen werde ich versuchen, mit den Studierenden abwechslungsreiche didaktische und schulnahe Themen zu behandeln, damit sie gut gerüstet in die Schule starten können. Schwerpunkte in meiner Lehre werden dabei die Möglichkeiten und Grenzen schulischer Werterziehung sein, denn eine kritische Reflexion darüber scheint mir heute wichtiger denn je.“
Ob ihn in seiner wissenschaftlichen Karriere eine Person besonders inspiriert hat, fragen wir den neuen Kollegen. „Da muss ich zwei nennen: eine lebende und eine tote Person“, sagt Mikhail. „In erster Linie für Pädagogik und Allgemeine Didaktik begeistert hat mich mein Doktorvater, Jürgen Rekus. Die erste Vorlesung bei ihm war für mich ein Knackpunkt. Eigentlich hatte ich Germanistik und Sportwissenschaft studiert, um Sportjournalist zu werden und nicht Lehrer. Aber als ich bei Jürgen Rekus „Grundfragen des Unterrichts“ gehört habe, war es sozusagen ‚um mich geschehen‘. In der Danksagung meiner Dissertation habe ich geschrieben, dass für ihn der Ausdruck „Doktorvater“ nicht bloß akademisches Schmuckwerk oder eine leere Worthülse sei. Jürgen Rekus hat nicht nur ein ausgesprochen analytisches Denkvermögen, sondern er lebt im Umgang auch die Pädagogik, die er vertritt: immer dialogisch und immer wertschätzend. Durch ihn bin ich auf die Schriften von Alfred Petzelt gekommen, meinem Lieblingspädagogen. Petzelts pädagogisches Denken ist für mich ständige Inspiration und Herausforderung zugleich.“
Und was macht Thomas Mikhail, wenn er gerade nicht Professor ist? „Nach der Logik der Poesiealben bzw. Freundebücher, in die man schrieb: ‚Lesen, Schwimmen, Basteln‘, lautet meine Trias ‚Fußball, Hund, Familie‘. Seit meiner Kindheit bin ich begeisterter Fußballfan und schaue viele Spiele im Fernsehen, vor allem die meines Lieblingsvereins, des Karlsruher SC, aber auch Spiele der Bundesliga und Champions League.“ Und dann ist da auch noch Emma. Der Familienmops. „Bis vor zwei Jahren bin ich mit ihr täglich eineinhalb Stunden Gassi gegangen – bei Wind und Wetter. Nun ist sie allerdings in die Jahre gekommen und schafft nur noch kürzere Strecken. An Wochenenden verbringen wir viel Zeit mit den Kindern, die aber immer weniger ‚Bock‘ auf ihre Eltern haben, sodass meine Frau und ich uns häufig mit Freunden treffen oder auch mal eine Serie ‚durchsuchten‘ – natürlich nicht, wenn der KSC spielt.“
Wir freuen uns auf den neuen Kollegen, wünschen einen guten Start und sagen: Herzlich willkommen, Prof. Dr. Thomas Mikhail!