Was ist gerade los in der Welt? Um Antwort auf diese Frage zu bekommen, schalten viele Deutsche Abend für Abend bei Tagesschau, heute oder auch RTL aktuell ein. Doch das Bild, das sich ihnen dort bietet, ist oft einseitig und mangelt an ethischer Vielfalt, befand Prof. Dr. Kai Hafez, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Uni Erfurt, kürzlich in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur (dpa). „Im Grunde sind wir keinen Schritt weiter als vor 50 Jahren“, urteilt er. „Unser Blick auf die Welt ist nach wie vor sehr eurozentrisch. Die Nachrichtenwelt ist immer noch aufgeteilt in eine demokratische westliche Sphäre und eine eher feindliche, unmoderne und repressive asiatisch-afrikanische Sphäre.”
Dabei entbehre ein solches Medienbild jeglicher Grundlage: „Viele afrikanische Staaten sind bei der Digitalisierung viel weiter als wir“, betont Hafez, „doch in unserem Afrikabild ist der gesamte Kontinent pauschal rückständig. Europa wird ein immer kleinerer Teil der Welt, aber wir klammern uns an die Hegemonialität der vergangenen 500 Jahre. Der Afrikaner ist jedoch kein Barbar, und das sollte unser Fernsehen zur Kenntnisnehmen, anstatt immer nur über Konflikte, Kriege und Kindersoldaten zu berichten.“ Weiter kritisiert der Wissenschaftler einen strukturellen „Diskurs-Rassismus“, wonach die wiederholte diskursive Verknüpfung verschiedener Themen allein genüge, um fremdenfeindliche Bilder entstehen zu lassen: „Wir sagen zwar nicht ‚Alle Muslime sind Islamisten’, aber wenn im Kontext mit dem Islam immer nur von Terrorismus die Rede ist, muss das nicht mehr explizit formuliert werden.“
In derlei verzerrten Darstellungen sieht Hafez „einen starken Trend zur Polarisierung: wir gegen die Anderen”. Damit trage die deutsche Medienlandschaft dazu bei, „angstbehaftet[e] Kontexte“ zu schaffen, die Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit Auftrieb geben. Deutschland und seine Medien seien damit nicht vorbereitet auf den „Weltenwandel, der sich gerade vollzieht“, wenn ‚die Fremden‘ aus europäischer Sicht ‚minderwertig‘ blieben.
Doch es gibt Auswege, befindet der Kommunikationswissenschaftler: „Letztlich brauchen die Sender nicht mehr als den Mut zu Reformen, ein bisschen Geld sowie neugierige und hungrige Journalisten.“ Dass es aber gerade am Mut und aktiven Veränderungswillen oft mangelt, zeigt diese Erinnerung: „Als ich einem ARD-Intendanten mal eine internationale Talkshow vorgeschlagen habe, hat er erwidert: ‚Das will doch niemand sehen.‘“