Nachgefragt: "Wie ermöglicht die Bibliothek als informelle Lernumgebung erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse mit digitalen Medien, Frau Hofmann?"

Gastbeiträge

Das Aufgabenfeld „Bildung mit Medien“ ist in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus der Bibliotheksarbeit gerückt. Als sogenannter „Dritter Ort“ sind Bibliotheken neben dem Zuhause und der Schule oder dem Beruf zu einem wichtigen gesellschaftlichen Raum geworden, wenn es um informelles und individuelles Lernen mit analogen und digitalen Medien geht. Dr. Jana Hofmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt, beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit Lern-, Bildungs-, Sozialisations- und Erziehungsprozessen in mediatisierten Lebenswelten von Kindern. Zum heutigen Tag der Bibliotheken hat WortMelder deshalb bei ihr nachgefragt: „Wie ermöglicht die Bibliothek als informelle Lernumgebung erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse mit digitalen Medien, Frau Hofmann?“

Jana Hofmann

„Zunächst ist es kurzgegriffen, die Bibliothek als ‚informelle Lernumgebung‘ zu bezeichnen. Die Bibliothek ist eine Hybridwelt. Das heißt, sie erfüllt Bildungsaufgaben in dreierlei Hinsicht. Erstens kann sie durchaus Teil der formellen Bildung sein – wenn eine Schulklasse die Bibliothek besucht und dort zu einem bestimmten Thema recherchieren muss und das dann auch benotet wird. Dann bietet sie eine Unterstützungsleistung. Zweitens gibt es die Möglichkeit, dass in der Bibliothek im Bereich nicht-formeller Bildung Angebote, Workshops und Ähnliches umgesetzt werden. Zum Beispiel, wenn eine Hortgruppe in den Ferien einen studentischen Kurs zum Thema ‚Wo begegnet mir das Buch in der Stadt?‘ mitmacht. Das haben wir mit Seminargruppen schon häufig umgesetzt. Dabei orientieren wir uns am ‚Kursplan Medienkunde‘ und unterstützen Schulen bei der medienpädagogischen Arbeit. Aber wir benoten nicht und vergeben höchstens kleine Urkunden. Und letztens, drittens, findet unbewusstes Lernen im Bereich informeller Bildung statt. Wenn also Kinder und Jugendliche in die Bibliothek gehen, weil sie beispielsweise nach ‚Gregs Tagebuch 13‘ schauen wollen. Zusammengefasst ist eine Bibliothek also sowohl unterstützender als auch eigenständiger Lernort.

Und in allen drei genannten Hinsichten hat sich gezeigt: Eine Bibliothek hat selbst eine Menge Hausaufgaben. Technik muss verfügbar sein. Personal muss da sein. Beide sollten miteinander nicht fremdeln: die Technik und der Mensch. Sprich: Geräte müssen bedient werden. Es genügt nicht, dass ein Klassensatz Tablets angeschafft wird, der dann anderthalb Jahre im Schrank ruht, weil niemand damit jenseits einer privaten Nutzung umgehen kann. Eine technische-private ist noch keine pädagogische Handhabung. Also braucht es Fortbildungen, die beides vermitteln: Technik und Pädagogik/Didaktik. Ist beides da, dann braucht es Ideen, Themen die mit ‚Buch‘ zu tun haben, das Lesen fördern, für digitale Medien geeignet sind und vor allem: nah am Alltag der Kinder und Jugendlichen sind. Das sind insgesamt schon große Herausforderungen, die die meisten Bibliotheken noch zusätzlich meistern müssen.

Zur Digitalisierung kommen noch andere Entwicklungen hinzu: dass ‚Bildung‘ in der Bibliothek mittlerweile weit mehr umfasst als ‚Buch‘. Bibliotheken entwickeln ihre soziale Dimension, und Menschen in einer Bibliothek suchen nicht mehr nur nach der Erfüllung klassischer Funktionen (Informieren, Rezipieren, Arbeiten). Sie trinken hier Kaffee, spielen Gesellschaftsspiele, treffen sich zur Manga-Besprechung oder hören gemeinsam Musik, plaudern und gehen bei Kakao und Eis ihren Gedanken nach.
Aber, und das soll der letzte Gedanke sein: Nur, weil eine Bibliothek ihre soziale Dimension ausbaut, heißt das nicht, dass sie ihren Charakter als ‚Ort der Stille‘ verliert, verlieren kann, verlieren soll. Sie, die Bibliothek, ist nach wie vor ein ruhiger Ort. Lediglich werden zunehmend Nischen der Kommunikation geschaffen (Ecken, Räume, Plätze der Geselligkeit). Und vielleicht ist das sogar eine Chance, auf informellem Weg mehr Kinder zum Besuch einer Bibliothek und schließlich auch zum Lesen zu motivieren.“