Nachgefragt: "Was hat das Komplexe Schulpraktikum zum Erfurter Erfolgsmodell gemacht, Herr Dr. Dreer?"

Gastbeiträge
Dr. Benjamin Dreer

Die Universität Erfurt macht angehende Lehrerinnen und Lehrer fit für den Beruf. Dazu gehört auch, dass sie bereits während des Studiums Praxiserfahrungen sammeln. Zum Beispiel im sogenannten „Komplexen Schulpraktikum“. Darin gestalten die Studierenden vor Ort in der Praktikumsschule den Unterricht aktiv mit und erproben ihr bisher erworbenes Wissen in der Klasse. Das Erfurter Praxissemester wurde im Schuljahr 2014/15 ins Leben gerufen  – am 5. März nun treffen sich Organisatoren und Schulvertreter zu Bilanz und Austausch. „WortMelder“ hat bei Dr. Benjamin Dreer, dem Geschäftsführer der Erfurt School of Education an der Universität Erfurt, nachgefragt: „Wie unterscheidet sich das Erfurter Modell von anderen Schulpraktika und was genau hat es zum Erfolg gemacht?“

„Anders als andere verfügt die Universität Erfurt über ein gewachsenes Praxiskonzept. Viele Hochschulen in Deutschland sind erst vor wenigen Jahren durch geänderte Lehrerbildungsgesetze der Bundesländer dazu verpflichtet worden, bestimmte praktische Elemente, wie das Orientierungspraktikum oder das Praxissemester, einzuführen. In Erfurt gibt es hingegen mit Orientierungs-, Hospitations- und Unterrichtspraktika praktische Phasen schon seit Beginn der Lehrerausbildung, also seit der Wiedergründung der Universität. Dies lässt uns nicht nur auf wichtige Erfahrungen bei der Organisation, Realisierung und Begleitung sowie hilfreiche Kontakte und Kooperationspartner zurückzugreifen, die an anderen Standorten nun erst mühsam gesammelt werden müssen. Die über die gesamte Studiendauer verteilten praktischen Anteile ermöglichen es auch, ein Praktikumskonzept umzusetzen, in dem die Komplexität von Praxiserfahrungen über den Studienverlauf allmählich gesteigert wird. Mit einer solchen ‚Immersion‘, die Prof. Hany, Direktor der Erfurt School of Education, als Kernmerkmal des Erfurter Praktikumskonzepts beschreibt, sind wir sehr nah an dem, was im wissenschaftlichen Diskurs um die Gestaltung wirksamer schulpraktischer Studien als bedeutsam herausgestellt wird.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Platzierung des Komplexen Schulpraktikums (KSP) in den Master-Programmen für Grund- und Regelschule nur konsequent. Denn die Universität Erfurt gehört zu den wenigen Standorten, die ein Praxissemester am Ende des Studiums durchführen. Dies erachten wir in vielerlei Hinsicht als Stärke unseres Konzepts. Von der Universität Erfurt werden im Grunde fast vollständig ausgebildete Absolventinnen und Absolventen in den 15-wöchigen Aufenthalt an der Schule entlassen. Dies ermöglicht unseren Studierenden sehr komplexen Anforderungen des Schultags erfolgreich zu begegnen, was für ihre professionelle Entwicklung förderlich aber auch gegenüber den Praktikumsschulen eine wichtige Maßnahme der Qualitätssicherung ist. Des Weiteren kann die späte Praxiserfahrung im Rahmen des KSP dabei unterstützen, einen guten Übergang in die nachfolgende Ausbildungsphase oder in alternative Berufstätigkeiten zu finden. Tatsächlich äußern viele Studierende bereits während des KSP den Wunsch, an ihrer Praktikumsschule möglichst auch für den Vorbereitungsdienst und die anschließende Berufstätigkeit zu verbleiben. Andere absolvieren das Praktikum an deutschen Schulen im Ausland und prüfen damit ggf. weitere berufliche Optionen.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Ernst Hany wird das KSP seit seiner Einführung wissenschaftlich begleitet. Die Befunde, die gerade auch für den 5. Durchgang wieder erhoben wurden, unterstreichen für jeden der bisherigen Jahrgänge den Erfolg dieses Studienelements. So schreiben sich unsere angehenden Lehrkräfte nach dem Praktikum höhere Kompetenzen zu als zu Beginn und geben zudem an, durch das Praktikum in wichtigen Tätigkeitsfeldern des Lehrerberufs sicherer geworden zu sein (Ergebnisbericht). Eine zusätzliche Erhebung an unseren Praktikumsschulen hat ergeben, dass Nachwuchslehrkräfte der Universität Erfurt sehr geschätzt werden. Insbesondere beurteilen Schulen das hohe Ausbildungsniveau, aber auch die Zuverlässigkeit und Bereitschaft der Studierenden, sich über das geforderte Maß hinaus vor allem im Unterricht zu engagieren, als positiv.

Dass das KSP eine Erfolgsgeschichte ist, ist – in einem immersiven Verständnis – zunächst Verdienst aller Kolleginnen und Kollegen, die sich in theoretischer, wie praktischer Ausbildung in den lehramtsrelevanten Studiengängen engagieren. Wie die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung nahelegen, tragen zudem insbesondere unsere abgeordneten Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Angeboten zur Gruppensupervision und zur Portfolioarbeit dazu bei, diese Praxisphase gewinnbringend zu begleiten. Auch die meisten Begleitkurse, die die Studierenden neben ihrer praktischen Tätigkeit an den Schulen freitags an der Universität besuchen, werden gut angenommen. Die Organisation des Praxissemesters, die viele Absprachen und Informationsangebote für alle Beteiligten umfasst, liegt vollständig im Praktikumsreferat der Erfurt School of Education und wird dort von unseren engagierten Kolleginnen Frau Dr. Pannke, Frau Dr. Protzel und Frau Trüpschuh geleistet.

Sie sind es auch, die nun gemeinsam mit Nadine Böhme vom Teaching Talent Center und der Praktikumsmentorin Ines Stuckatz die Veranstaltung ‚Das Komplexe Schulpraktikum auf dem Weg‘ am 5. März im Augustinerkloster organisieren und mitgestalten. Angeregt durch verschiedene Impulse und Workshops werden wir zu dieser Gelegenheit mit Ausbildungsverantwortlichen und Schulleitungen unserer Praktikumsschulen über zentrale Aspekte das KSP in Austausch kommen. Wir sind zuversichtlich, dass wir die gute Basis, die mit dem KSP in den vergangenen Jahren geschaffen wurde, auf diese Weise weiter ausbauen können.“

Weitere Informationen

zum Komplexen Schulpraktikum finden Sie unter: www.uni-erfurt.de/ese/praktikum/ksp