An ihrer Staatswissenschaftlichen Fakultät begrüßt die Universität Erfurt zum 1. Juni 2021 noch ein weiteres neues Gesicht: Sebastian Rüth ist neuer Juniorprofessur für internationale und monetäre Makroökonomik. Zuletzt hat er in Frankfurt und Mannheim Lehrstuhlvertretungen innegehabt und kommt nun von der Universität Heidelberg in die Thüringer Landeshauptstadt. Was ihn an Erfurt besonders überzeugt habe, sei der interdisziplinäre Charakter der Staatswissenschaftlichen Fakultät und ihrer Studienangebote, sagt er. "Aber dass die Universität Erfurt für meine Juniorprofessur einen sogenannten 'Tenure-Track' anbietet, war für mich auch sehr attraktiv. Darüber hinaus sehe ich sehr konkrete Kooperationsmöglichkeiten mit den Professor*innen der Volkswirtschaftslehre vor Ort. Beispielsweise forscht Prof. Maltritz an sehr ähnlichen Themen wie ich. Als empirisch arbeitender Makroökonom interessiere ich mich sehr für Wirtschaftspolitik, die ja am besten interdisziplinär zu betrachten ist. Deshalb bin ich vor allen Dingen auf den Austausch mit den Sozialwissenschaftler*innen der Fakultät und den Kolleg*innen der Brandt School gespannt."
Erfurt ist dem 34-Jährigen dabei nicht ganz unbekannt. "Allerdings liegen die meisten meiner Besuche zu Studienzeiten schon eine ganze Weile zurück und ich habe damals naturgemäß eher das Nachtleben kennengelernt", lacht Rüth. "Aber bei meinen jüngsten Besuchen hat sich Erfurt auch bei Tag von seiner besten Seite gezeigt. Besonders toll finde ich das Stadtbild - die schönen, teils sehr alten Wohnhäuser und die vielen verstreuten Kunstbühnen, Kulturstätten und Manufakturen. Deshalb freue ich mich schon sehr darauf, die Stadt nun weiter zu erkunden und hoffe von Seiten der Studierenden den ein oder anderen Geheimtipp zu erhalten."
Bevor Sebastian Rüth an die Universität Erfurt kam, hat er bereits einige Erfahrung in Lehre und Forschung sammeln können - an sechs Universitäten im In- und Ausland. "Durch meine Lehrtätigkeiten in unterschiedlichen Studiengängen habe ich gelernt, mich auf die Interessen des jeweiligen 'Publikums' einzustellen und hoffe von diesen Erfahrungen auch an der Universität Erfurt profitieren zu können." Und davon sollen natürlich auch die Studierenden in seinen Lehrveranstaltungen etwas haben. "Sie werden bei mir makroökonomische Theorien kennenlernen, ein Methodengerüst erlernen, um eigene empirische Arbeiten anfertigen zu können und jede Menge aktueller Daten und Zeitreihen 'um die Ohren gehauen' bekommen. Thematisch werden wir uns beispielsweise den Folgen und Herausforderungen der seit Jahren anhaltenden Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank sowie unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen widmen." Aber auch Themen wie Rohstoffmärkte, Wechselkurse, Fiskalpolitik, Bankenkrisen, die Implikationen des Klimawandels sowie der Kryptowährungen für die Geldpolitik werden Teil des Curriculums sein.
Und was interessiert den Forscher Sebastian Rüth an seinem Fachgebiet besonders? "Ich möchte vor allem makroökonomische Phänomene besser verstehen und insbesondere Kausalzusammenhänge identifizieren. Das ist insofern spannend, als dass man diese empirische Arbeitsweise manchmal durchaus mit Detektivarbeit vergleichen kann. Man muss neue Blickwinkel zulassen, althergebrachte Theorien hinterfragen, unterschiedliche Methoden testen und es gibt selten Projekte, bei denen makroökonomische Daten nicht doch für die ein oder andere Überraschung gut sind. Diese Arbeit finde ich sehr abwechslungsreich." Aktuell beschäftigt sich der gebürtige Würzburger u.a. mit dem Zusammenwirken von Rohstoffpreisen. Dabei untersucht er zusammen mit Kollegen der Universität Gent in Belgien, wie sich Schocks auf den globalen Märkten für Rohöl und Grundnahrungsmittel auf andere Rohstoffpreise auswirken. "Konkret zeigen wir, dass solche Übertragungseffekte bis zum Jahrtausendwechsel nicht zu beobachten waren, wohingegen heute beispielsweise ein Anstieg der Nahrungsmittelpreise aufgrund von schlechter Witterung direkt einen Anstieg der Rohölpreise zur Folge hat. Und ganz aktuell versuchen wir, den Ursachen für diese veränderte Preisfindung und Preissynchronisierung auf den Grund zu gehen."
Auf die Frage ob es eine Person gibt, die ihn in seiner beruflichen/wissenschaftlichen Laufbahn besonders geprägt oder inspiriert hat, überlegt der Juniorprofessor nicht lange: "Mein Interesse an der Volkswirtschaftslehre wurde schon früh im Studium durch meinen späteren Doktorvater Peter Bofinger geweckt. Er war langjähriges Mitglied im Rat der sogenannten 'Wirtschaftsweisen'. Durch ihn lernte ich die ganze Breite der Disziplin kennen und auch die Notwendigkeit, bei tagesaktuellen wirtschaftspolitischen Themen am Ball zu bleiben. Darüber hinaus hat sein damaliger Mitarbeiter und heutiger Professor an der Universität Würzburg, Eric Mayer, meine Begeisterung für die quantitative Wirtschafsforschung geweckt. Als meinen akademischen Mentor würde ich zudem den an der U.S.-amerikanischen University of Notre Dame lehrende Makroökonom Rüdiger Bachmann bezeichnen. Er ermöglichte mir während meines Promotionsstudiums einen halbjährigen Forschungsaufenthalt an der University of Notre Dame. Ohne diese fordernde und lehrreiche Zeit hätte ich vermutlich nicht den beruflichen Weg in die Wissenschaft eingeschlagen. Bis heute lerne ich durch gemeinsame Forschung ständig von ihm, aber auch jenseits davon unterstützt er mich durchwegs und steht mir immer mit Rat und Tat zur Seite. Das bedeutet mir viel."
Dass sein erstes Semester in Erfurt Corona-bedingt gleich ein Pandemiesemester, also von digitalen Formaten geprägt sein wird, nimmt Sebastian Rüth gelassen: "Ich bin eigentlich ganz entspannt, da die Online-Lehre in den vergangenen beiden Semestern für mich überraschend gut funktioniert hat. Trotzdem bin ich der Meinung, dass digitale Formate nie vollständig die Zusammenkunft im Hörsaal ersetzen können. Da ich aber meine eigentliche Lehre an der Uni Erfurt erst im Wintersemester aufnehmen werde, hoffe ich dann auch wieder viel Präsenzlehre anbieten zu können."
Wenn Sebastian Rüth gerade nicht lehrt und forscht, dann ist er gern draußen in der Natur. Trifft sich mit Freunden, treibt Sport, besucht Festivals. "Und natürlich auch gern die Weinfeste in meiner fränkischen Heimat Würzburg." Und wenn es die Pandemie-Situation wieder zulässt, dann möchte der Wirtschaftswissenschaftler auch wieder mit seiner Freundin verreisen - eine weitere Leidenschaft. "Ganz besonders angetan hat es mir Barcelona, woran die köstlichen Tapas sicherlich nicht ganz unschuldig sind", lacht Rüth. "Ansonsten bin ich viel damit beschäftigt, die 'Verwüstung' unserer Wohnung durch unsere zwei Katzen im Rahmen zu halten. Vor allem unser Kater 'Pigou' (ja, der Name hat etwas mit VWL zu tun) hat sich laut studentischer Evaluationen offensichtlich ab und zu in den Online-Vorlesungen zu Wort gemeldet."
Bleibt uns nur noch, Sebastian Rüth einen wunderbaren Start zu wünschen - herzlich willkommen an der Universität Erfurt!